Thüringer NSU-Ausschuß
Neo-Nazi-Verbindungen im Fall Kiesewetter
Erfurt (LiZ). Aussagen der Thüringer Polizistin Anja Wittig als Zeugin im Thüringer NSU-Untersuchungsausschuß bringen Neo-Nazi-Verbindungen im Umfeld der im April 2007 in Heilbronn ermordeten Polizistin Michele Kiesewetter ans Licht. Um Zufall kann es sich kaum handeln.
Bis 2007 war Anja Wittig die Lebensgefährtin von Michele Kiesewetters Patenonkel Mike Wenzel, einem Staatsschutz-Beamten. Danach heiratete sie Ralf Wittig, der eine Sicherheitsfirma in Schleiz betreibt und mit der rechten Szene in Berührung gekommen ist. Ihr Mann sei aber kein Neo-Nazis, betont die Zeugin. Eine erste brisante Verbindung zur NSU-Terror-Bande besteht darin, daß er in den 1990er-Jahren Zeuge in einem Verfahren gegen den dem NSU zugerechneten Uwe Böhnhardt war.
Anja Wittig fühlt sich offenbar bedroht. Sie erklärte, daß sie vor ihrer BKA-Vernehmung Ende 2011 - Anfang 2012 Besuch von zwei 40- bis 45-jährigen Männern bekommen hatte, die Ausweise zückten und sie einzuschüchtern versuchten, sie solle sich nicht erinnern. Auch heute am Tag ihrer Aussage vor dem NSU-Untersuchungsausschuß fand sie ihr Auto mit aufgeschlitztem Reifen vor.
Die Beziehung von Anja Wittig zu Michele Kiesewetter, die ebenfalls aus Thüringen stammt, war offenbar recht eng. Sie hatte mit ihr zusammen mit ihren damaligen Lebenspartner Mike Wenzel häufig Kontakt. Zusammen fuhren sie in Urlaub und an Wochenenden trafen sie sich im ostthüringischen Oberweißbach bei Kiesewetters Großmutter zum Mittagessen. Anja Wittig half Michele Kiesewetter auch bei ihrer Abschlußarbeit am Ende der Ausbildung als Polizistin.
Anja Wittig gab vor dem Ausschuß eine Information weiter, die das LKA anscheinend nicht interessiert hatte, die jedoch möglicherweise ein Motiv für den Mord an Kiesewetter liefert. Michele Kiesewetter sei in Oberweißbach einmal in eine merkwürdige Auseinandersetzung verwickelt gewesen. Es sei um zwei oder drei Autos gegangen, möglicher Weise habe Kiesewetter etwas gesehen, was sie nicht hätte sehen sollen - und: Kiesewetter sei von den Beteiligten gefragt worden, ob es ihr dienstlich schade, "wenn sie da in einer Auseinandersetzung verwickelt" war. Um einen Unfall habe es sich "definitiv nicht" gehandelt. Kiesewetter sei am darauffolgenden Tag "ziemlich verstört" gewesen. Mehr wisse sie hierzu nicht, so Wittig.
Und eine weitere Beziehung, die kaum mehr als Zufall zu bewerten ist, wurde aufgedeckt: Ralf Wittig ist mit Ronny Weigmann verwandt, einem Neo-Nazis aus dem NSU-Umfeld. Zur Sprache kommt im Erfurter NSU-Ausschuß auch, daß Ronny Weigmann früher in der Rechtsrock-Band 'Vergeltung' spielte. Ronny Weigmann soll auch dabei gewesen sein, als eine Gruppe Neo-Nazis, zu der damals Mundlos, Böhnhardt und Beate Zschäpe gehörte, im Stil des Ku Klux Klan ein Holzkreuz abfackelte. Und er soll auch Kontakt zu Ralf Wohlleben gehabt haben, einem weiteren Angeklagten im NSU-Prozeß.
Daß Anja Wittig Schwierigkeiten in ihrem erlernten Beruf als Polizistin bekam, soll nach Darstellung aus Polizei-Kreisen mit Vorkommnissen im Zusammenhang mit ihrem heutigen Ehemann zu tun haben. Immer wieder soll Anja Wittig Datenbanken der Polizei nach Informationen durchforstet haben, um ihrem Mann gefällig zu sein. Sie bestreitet dies energisch und erklärt, die Vorwürfe seien nie nachgewiesen worden. Denkbar ist durchaus, daß mit einer Suspendierung Druck auf Wittig ausgeübt werden sollte, um sie zum Schweigen zu bringen. Die Suspendierung konnte Anja Wittig mit Hilfe einer Klage beim Verwaltungsgericht aufheben lassen. Die Art der Befragung Wittigs im Thüringer NSU-Untersuchungsausschuß war zudem geeignet, den Verdacht zu schüren, Anja Wittig sei selbst Neo-Nazi-Kreisen zuzuordnen. So wurde ihr von der Ausschuß-Vorsitzenden Dorothea Marx vorgehalten, sie habe 2011 nach dem Tod von Böhnhardt und Mundlos ihren Ex-Partner Mike Wenzel in einer SMS als "Verräter" bezeichnet. Wittig widersprach auch dem: "Nein. Und meine Handys sind ja auch mehrfach ausgewertet worden." Die Polizei hätte da nichts gefunden, so Wittig. "Davon höre ich jetzt zum ersten mal."
Ein noch explosiveres Detail kommt erst nach einer zehnminütigen Unterbrechung zutage. Wittig hatte zunächst auf die Frage, ob sie wegen der Bedrohungen mögliche Informationen oder Auskünfte vor dem Untersuchungsausschuß für sich behalte. Mehrere Sekunden hatte sie gezögert und sich dann nach ihrem Zeugenbeistand, dem Personalratsvorsitzenden der Landespolizei-Inspektion Saalfeld, Rainer Kräuter, umgeschaut. Darauf wird ihr angeboten, die Sitzung kurz zu unterbrechen.
Anja Wittig nach der zehnminütigen Pause noch ein wenig blasser als vorher. Mit leiser Stimme sagte sie: "Es fällt mir nicht leicht… es war damals so, als ich mit Mike zusammen war… er hat halt öfters mal Akten mit nach Hause gebracht, wenn Durchsuchungen angedacht waren". Und weiter: "Er selber hatte auch mal eine Auseinandersetzung in Neuhaus am Rennweg. Da ging es heftig zur Sache, auch mit dem Umstand, daß seine Tochter in die Szene abgeglitten war." Vier Tage zuvor hatte Mike Wenzel vor dem Ausschuß das genaue Gegenteil ausgesagt. Auf Nachfragen gibt Wittig an, daß es sich um rote Akten der Staatsanwaltschaft gehandelt habe. Meist in Situationen, wenn Hausdurchsuchungen am nächsten Tag anstanden, ihr Ex-Freund sei dann von zu Hause aus gleich da hingefahren. Die Razzien betrafen auch seinen eigenen Tätigkeitsbereich, als Staatsschutz. Die Zeugin berichtet, daß in diesem Zusammenhang auch Namen gefallen seien. Ein Mann Namens Bettinge/Bettinger/Böttinger habe dabei eine Rolle gespielt. "Seine Tochter hatte einen Freund, der gehörte schon zur rechten Szene, war aber nicht sehr aktiv dort," berichtete Wittig weiter. "Ich weiß es, Mike hatte den [in der Polizeidatenbank] abgefragt. Da kam Paragraph 86a [Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen]". Auf Nachfrage ergänzt Wittig aus welcher Stadt die betreffende Person kam: "Aus Neuhaus". Und auf eine weitere Nachfrage bestätigt sie, daß es sich aum eine Person aus dem Umfeld von Sergej Starowojtenko handelte. Der Nachname könnte Hüther oder Hüter gewesen sein.
Zu Tage kommt auch, daß die Tochter von Mike Wenzel anscheinend in die Neo-Nazi-Szene von Neuhaus verstrickt war und mit Robert Böttinger liiert war, einem Mann aus dem Neo-Nazi-Netzwerk 'Blood&Honour', der sicherlich kein Mitläufer war.
Indizien, daß die NSU-Terrorgruppe aus Bereichen staatlicher Institutionen unterstützt und gedeckt wurde (Stand März 2014):
Die Merkwürdigkeiten beginnen bereits am 24. Januar 1998 damit, daß Uwe Böhnhardt nicht festgenommen wurde, als in seinem Beisein eine Bombenwerkstatt in einer Garage von der Polizei ausgehoben wurde. Die Durchsuchung hatte nicht zufällig, sondern im Zusammenhang mit der Fahndung nach der Herkunft einer Briefbombenattrappe stattgefunden. Trotz des Fundes und einer vorangegangenen Verurteilung zu dreieinhalb Jahren wurde Böhnhardt an diesem Tag nicht festgenommen. Die Ausstellung eines Haftbefehls verzögerte sich um mehrere Tage, so daß Böhnhardt, Mundlos und Beate Z. in Ruhe untertauchen konnten.
Schon sehr bald muß die Neonazi-Terrorbande über gefälschte Pässe verfügt haben, die von so hoher Qualität waren, daß sie nur aus Geheimdienst-Kreisen stammen können. Bereits am 8. März 1999 bestand bei den Untergetauchten offenbar kein Bedarf mehr nach weiteren gefälschten Pässen - wie aus einem Telefonat zwischen Tino Brandt und Uwe Böhnhardt an diesem Tag hervorgeht.
Auch in den dreizehn Jahren, in denen die Neonazi-Terrorbande im Untergrund lebte, fanden unter den Augen des "Verfassungsschutzes" öffentliche Solidaritäts-Konzerte statt, deren Erlös für die Bande bestimmt war. Ebenfalls war den Behörden der Zusammenhang zwischen den "Döner"-Morden (amtliche Bezeichnung) und der Neonazi-Terrorbande bekannt. Denn auf einer indizierten und in Neonazi-Kreisen verbreiteten Musik-CD wird ein "Döner-Killer" und die Mordserie an neun Unternehmern türkischer und griechischer Herkunft besungen. Zudem würden darauf weitere Morde angekündigt.
Bei dem Mord am 6. April 2006 in Kassel war nachweislich ein Beamter des hessischen "Verfassungsschutzes" anwesend. Dessen Spitzname: kleiner Adolf. Nach Aussagen eines Zeugen steht dieser Geheimdienstler im Verdacht, Patronenhülsen am Tatort in eine Tüte eingesammelt zu haben, was darauf hindeutet, daß die Herkunft der Tatwaffen verschleiert werden sollte. Auffällig ist zudem, daß die Mordserie an türkisch- und griechischstämmigen Opfern mit diesem Mord endete.
Erst über ein Jahr später, am 25. April 2007, wird in Heilbronn die 22-jährige Bereitschaftspolizistin Michele Kiesewetter erschossen. Ihr Kollege überlebt schwer verletzt. Die Tat wird ebenfalls der Neonazi-Terrorgruppe zugeordnet. Auch in diesem Zusammenhang tauchen in den Monaten November und Dezember 2011 etliche Indizien für eine Verwicklung staatlicher Stellen auf (siehe weiter unten).
Ein weiteres Indiz, daß Teile staatlicher Institutionen in die terroristische Mord-Serie verwickelt sind, sind die vom 'stern' veröffentlichten Aussagen von AnwohnerInnen des Eisenacher Neubaugebietes, wo das Wohnmobil stand, in dem die Leichen von Böhnhardt und Mundlos gefunden wurden: Entgegen den Aussagen der Polizei sollen vor dem Eintreffen der Feuerwehr beim brennenden Wohnmobil keine Schüsse zu hören gewesen sein. Laut der bis in den Dezember 2011 hinein verbreiteten offiziellen Darstellung hatten Böhnhardt und Mundlos nach einem Überfall auf eine Sparkasse in Eisenach das Wohnmobil gegen 11:30 Uhr angezündet und sich erschossen. Verdächtig ist zudem, daß nach dem Auffinden der Leichen am 4. November allzu schnell die Meldung verbreitet wurde, Böhnhardt und Mundlos hätten sich selbst erschossen - noch bevor das Ergebnis einer Obduktion vorliegen konnte. Auch wollen AnwohnerInnen eine dritte Person gesehen haben, die das Wohnmobil kurz vor dem Eintreffen der Polizei verlassen hat.
Auf dem Mobiltelefon des mutmaßlichen NSU-Mitglieds Beate Z. fanden sich für den 4. November 2011 insgesamt 72 Verbindungen. Dies ergab eine so genannte Funkzellenabfrage. Die Telefon-Nummer ergibt, daß aus dem Sächsische Staatsministerium des Innern, Wilhelm-Buck-Straße 2, ab 16:30 Uhr pausenlos versucht wurde, Beate Z. anzurufen. Um 17.50 Uhr versuchte die Polizeidirektion Südwestsachsen aus Zwickau das von Beate Z. benutzte Mobiltelefon zu erreichen. Um 18:12 Uhr versuchte es wieder eine unbekannte Person aus dem Staatsministerium. Wer kannte die Nummer von Beate Z.?
13. November 2011: Der Thüringer Innenminister Jörg Geibert erwähnte gegenüber der 'Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung' die Vermutung eines LKA-Zielfahnders aus dem Jahr 2001, wonach zumindest einer der per Steckbrief gesuchten Neonazis von "oben" gedeckt wurde.
15. November 2011: Es sickerte durch, daß Beate Z. nach dem Untertauchen mehrmals Kontakt zu V-Leuten des "Verfassungsschutzes" hatte. Zunächst lebte sie längere Zeit unbehelligt in Zwickau unter falschem Namen und wurde zugleich von mindestens drei "Verfassungsschutz"-Leuten observiert, da sie als Mitglied des neonazistischen "Thüringer Heimatschutzes" (THS) galt. Auch zu THS-Anführer Tino Brandt hatte sie zumindest bis Mitte 1998 regen Kontakt. Über ihn erfuhren die Geheimdienst-Leute wie die Neo-Nazis des "Thüringer Heimatschutzes" Beate Z. unterstützten.
18. November 2011: Hinweise tauchen auf, daß im Jahr 1999 offenbar eine Festnahme der Neonazi-Terrorbande in Chemnitz kurz vor dem Zugriff in letzter Minute gestoppt wurde. Auch das LKA soll damals seine ZielfahnderInnen zurückgepfiffen haben. Damit scheidet der Thüringer "Verfassungsschutz"-Präsident Helmut Roewer als Verdächtiger aus, der von 1994 bis Herbst 2000 amtierte. Die "schützende Hand" ist in einer höheren Ebene zu suchen. Nach Informationen des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) haben sich damals die zurückgepfiffenen LKA-MitarbeiterInnen massiv beschwert. Daraufhin habe ein Gespräch zwischen "hohen Vertretern des Innenministeriums" und den BeamtInnen stattgefunden.
20. November 2011: Es wird publik, daß auch der deutsche Geheimdienst MAD nach dem Abtauchen der Gruppe in den Untergrund über deren Aufenthaltsort informiert war. Diese Information kann als gesichert gelten, da der Aufenthaltsort der Untergetauchten nachweislich von der MAD-Stelle in Leipzig an die Kölner Zentrale gemeldet worden war.
30. November 2011: Laut einem Bericht des 'stern' waren Geheimdienst-Leute des US-amerikanischen DIA anwesend, als die deutsche Polizistin Michele Kiesewetter am 25. April 2007 in Heilbronn von der Neonazi-Terrorbande ermordet und ihr Kollege durch einen Kopfschuß schwer verletzt wurde. Aus ihrem Bericht geht hervor, daß auch deutsche Geheimdienst-AgentInnen bei dem Mord zugegen waren.
6. Dezember 2011: Informationen tauchen auf, wonach Telefonate der Bande abgehört wurden. Hier stellte sich selbstverständlich sofort die Frage, wie es möglich sein soll, daß der Geheimdienst die Telefonate abhörte, zugleich aber angeblich den Aufenthaltsort nicht festgestellte.
20. Dezember 2011: Der Thüringer "Verfassungsschutz" hat nach dem Untertauchen von Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Z. im Jahr 1998 die Ermittlungen der Polizei sabotiert. So soll der V-Mann und Neo-Nazi Tino Brandt aus den Reihen des Thüringer "Verfassungsschutzes" über konkrete Fahndungsmaßnahmen vorab informiert worden sein. Tino Brandt alias "Otto" soll den Angaben zufolge so erfahren haben, daß die Polizei ihn aus einer angemieteten Wohnung in der Nähe seines Rudolstädter Hauses heraus überwachte. Außerdem habe der sogenannte Verbindungsführer des Thüringer "Verfassungsschutzes" an Tino Brandt Informationen über die Zivilfahrzeuge der Polizei, mit denen er beschattet werden sollte, weitergeleitet.
22. Dezember 2011: Es wird bekannt, daß der V-Mann und Neo-Nazi Tino Brandt zumindest 1999 telefonischen Kontakt zu Uwe Böhnhardt hatte. Allein aufgrund dieser Tatsache ist es höchstwahrscheinlich, daß in Kreisen staatlicher Institutionen bekannt war, wo sich der Unterschlupf der Neonazi-Terrorbande befand.
31. Dezember 2011: Offenbar waren zumindest Teile der "Verfassungsschutz"-Ämter Thüringens und Sachsens im Zeitraum zwischen dem Untertauchen von Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Z. im Januar 1998 und Ende 2001 detailliert über die Neonazi-Terrorbande informiert. Aus Geheimdienst-Unterlagen geht hervor, daß in den Ämtern Anfang 1999 verlässliche Informationen vorlagen, daß sich die Bande in Chemnitz versteckt hielt. Bemerkenswert ist zudem, daß BeamtInnen Kenntnis davon hatten, daß bewaffnete Überfälle zumindest geplant waren. Auch kannten FahnderInnen im Zeitraum 2000, 2001 eine Wohnung, in der zwei mutmaßliche Unterstützer wohnten, die Uwe Böhnhardt und Beate Z. gelegentlich besuchten.
Januar 2012: Aufgedeckt wird, daß Beate Z. im Januar 2007 von der Polizei an der Tür der damaligen konspirativen Wohnung in Zwickau und im Polizei-Revier vernommen worden war.
Februar 2012: Es wird bekannt, daß das Bundeskriminalamt (BKA) die Mobiltelefon-Daten einer Person im Umkreis der Neonazi-Terrorbande löschen ließ. BKA-Chef Jörg Ziercke bestätigte den Vorgang.
Im Laufe des Jahres 2012 werden eine Reihe von weiteren Fällen bekannt, bei denen von Mitarbeitern der Geheimdienste brisante Akten geschreddert wurden. Die bekannt gewordenen Fälle von Aktenvernichtung fanden ausnahmslos in der Zeit nach dem Auffliegen des NSU (4. November 2011) statt und es handelte sich um Akten, die für die Aufklärung der NSU-Morde relevant waren und die Aufschluß über Kontakte zwischen NSU und Geheimdiensten hätten liefern können.
Februar 2013: Listen mit Adressen und Kontakt-Daten tauchen nach 15 Jahren auf. Mit den Listen, die am 24. Januar 1998 in der Bombenwerkstatt gefunden wurden, wären die Zielfahnder mit hoher Wahrscheinlichkeit der NSU auf die Spur gekommen und die Mordserie der Jahre 2000 bis 2007, der zehn Menschen zum Opfer fielen und die der NSU zugeschrieben wird, hätte verhindert werden können.
März 2013: Es kommt ans Licht, daß brisante NSU-Listen mit Kontakt-Daten 15 Jahre lang verschwunden waren - und daß auf solchen Listen 129 Personen verzeichnet sind.
August 2013: Bei Neo-Nazis in Thüringen werden Maschinenpistolen und Drogen gefunden.
Am 16. September 2013 verbrennt ein wichtiger Zeuge, der Aussagen zum NSU machen wollte, auf dubiose Weise in seinem Auto.
Dezember 2013: Es wird aufgedeckt, daß die Fahndung nach der NSU-Terror-Bande im Jahr 2003 abgeblockt wurde. Ein beteiligter Polizist sagt aus, der damalige Ständige Vertreter des Präsidenten im Landeskriminalamt, Werner Jakstat, habe Anweisung gegeben, nicht zu ermitteln: "Kriegen Sie da nichts raus!"
Dezember 2013: Es wird aufgedeckt, daß die Fahndung nach der NSU-Terror-Bande im Jahr 2003 abgeblockt wurde. Ein beteiligter Polizist sagt aus, der damalige Ständige Vertreter des Präsidenten im Landeskriminalamt, Werner Jakstat, habe Anweisung gegeben, nicht zu ermitteln: "Kriegen Sie da nichts raus!"
Nicht zuletzt ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, daß am 18. März 2003 das Verbotsverfahren gegen die NPD scheiterte, weil das Bundesverfassungsgericht feststellen mußte, daß mindestens jedes siebte NPD-Mitglied in Leitungsfunktionen ein "Verfassungsschutz"-Agent war. Die These, die deutschen Geheimdienste hätten "versagt", ist vor dem Hintergrund all dieser Indizien zumindest voreilig.
Eine Chronologie der Morde, bei der dieselbe Waffe, eine Pistole der Marke Ceska, benutzt worden war:
9. September 2000
In Nürnberg wird der 38-jährige türkischstämmige Blumenhändler
Enver S. erschossen.
13. Juni 2001
Ebenfalls in Nürnberg wird der 49-jährige Änderungsschneider Abdurrahim Ö. ermordet.
27. Juni 2001
In Hamburg wird der 31-jährige Gemüsehändler Süleyman T. in seinem Laden ermordet.
29. August 2001
Der 38-jährige Gemüsehändler Habil K. wird in München in der Nähe eines Neonazi-Treffpunktes ermordet.
25. Februar 2004
Der 25-jährige Aushilfsverkäufer in einem Döner-Laden, Yunus T., wird in Rostock ermordet.
9. Juni 2005
In Nürnberg wird der 50-jährige Ismail Y. an seinem Döner-Stand ermordet.
15. Juni 2005
Der griechischstämmige 41-jährige Theodorus B. wird in seinem Laden, einem Schlüsseldienst in München, ermordet.
4. April 2006
In Dortmund wird in den Mittagsstunden an einer vielbefahrenen Straße der 39-jährige Kioskbesitzer Mehmet K. ermordet.
6. April 2006
In Kassel wird der 21-jährige Halit Y., der Sohn eines Internet-Café-Betreibers, an der Theke ermordet. Später stellt sich heraus, daß ein beamteter Mitarbeiter des hessischen "Verfassungsschutzes" zur Tatzeit anwesend war.
25. April 2007
In Heilbronn wird Michele Kiesewetter, eine 22-jährige Bereitschaftspolizistin, erschossen. Ihr Kollege überlebt schwer verletzt.
Alle Opfer starben durch Schüsse in den Kopf.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Fahndung nach Neo-Nazi-Terror-Bande
im Juni 2003 abgeblockt
"Kriegen Sie da nichts raus!" (10.12.13)
NSU-Zeuge im Auto verbrannt
Wurde Florian Heilig ermordet? (12.10.13)
Gehörten V-Leute zu NSU?
Geheime Liste mit 129 Personen (24.03.13)
Brisante NSU-Listen mit Kontakt-Daten
15 Jahre lang verschwunden (1.03.13)
Experte Hajo Funke:
NSU bestand aus mehr als 3 Personen (25.01.13)
NSU und Behörden
Schlamperei oder Beihilfe zum Terror? (4.08.12)
Polizei und Ku-Klux-Klan
Kollegen von Kiesewetter waren Mitglied (31.07.12)
4. November 2011: Wer versuchte
Beate Z. anzurufen?
Telefon-Nummer aus dem
Sächsische Staatsministerium des Innern (30.05.12)
Neue Hinweise auf staatliche Beihilfe
für Neonazi-Terrorbande (12.02.12)
Standen staatliche Organe
hinter der Neonazi-Terrorbande NSU? (30.01.12)
Neonazi-Terrorbande
Beate Z. wurde 2007 polizeilich vernommen (29.01.12)
Neonazi-Terrorbande
"Verfassungsschutz" war detailliert informiert (31.12.11)
Weitere Hinweise auf Terror-Beihilfe:
Kontakt im Jahr 1999 (22.12.11)
Weitere Hinweise auf Terror-Beihilfe
durch Staatsorgane (20.12.11)
Wie kam die Neonazi-Terrorbande
zu gefälschten Pässen? (18.12.11)
Neonazi-Terrorbande
Die Spur führ nach Ludwigshafen (17.12.11)
Bericht eines US-Geheimdienstes:
Deutsche Agenten in Mord an Polizistin verwickelt
(30.11.11)
Neonazi-Zelle für versuchten
Terror-Anschlag 1997 verantwortlich?
Viele Hinweise auf Geheimdienst-Verwicklung (20.11.11)
Festnahme der Neonazi-Zelle 1999 gestoppt
Befehl von "oben" (18.11.11)
V-Mann "Kleiner Adolf"
war in Kassel bei Mord zugegen (15.11.11)
Neonazi-Terroristen
Pässe vom Geheimdienst? (13.11.11)