4.07.2011

Gen-Reis-Kontamination durch Bayer-Konzern
750 Millionen US-Dollar Entschädigung

Gen-Reis St. Louis (LiZ). Am Freitag mußte der Bayer-Konzern in St. Louis, Missouri, mit 11.800 US-amerikanischen FamerInnen einen Vergleich schließen. Der deutsche Chemie- und Agro-Konzern Bayer stimmte zu, als Entschädigung für die Kontamination von Reis-Feldern mit der genmanipulierten Reis-Sorte "Liberty Link" insgesamt 750 Millionen US-Dollar (umgerechnet 516 Millionen Euro) zu zahlen.

Im Jahr 2006 war der genmanipulierte Reis der Sorte "Liberty Link 601", der nicht für den menschlichen Verzehr zugelassen war, weltweit in den Handel gelangt. Bei dem Gen-Reis handelt es sich um ein Konstrukt, das durch den Einbau artfremder Gene gegen ein Herbizid (Unkrautvernichtungsmittel) resistent gemacht wurde. Als der Skandal publik wurde, stoppten die EU und Japan alle Reis-Importe aus den USA.

Die US-amerikanischen Reis-FarmerInnen, die weit überwiegend keinen Gen-Reis anbauten, hatten wegen des Handels-Stops erhebliche finanzielle Einbußen zu verzeichnen. Ihre Lebensgrundlage war bedroht, weil ein Agro-Konzern die Kontrolle über seinen Gen-Reis verloren hatte oder bewußt die Kontamination in Kauf nahm, um auf diese Weise den Widerstand gegen die Agro-Gentechnik zu brechen. Allein der finanzielle Schaden des Liberty-Link-Skandals wird auf rund 1,3 Milliarden US-Dollar geschätzt.

In den vergangenen Jahren gab es wegen der durch "Liberty Link" (LL601) angerichteten Schäden bereits mehrere Prozesse in den USA gegen Bayer. Im Dezember 2009 mußte Bayer an einen Farmer 2 Millonen US-Dollar zahlen, im Februar 2010 an einen weiteren 1,5 Millionen US-Dollar. Zuletzt wurde der Konzern Ende März in Arkansas zur Zahlung von insgesamt 136 Millionen US-Dollar verurteilt. Die Strafe wurde allerdings inzwischen auf 12,8 Millionen US-Dollar reduziert. Geklagt hatte eine Reismühle.

Mit dem nun in St. Louis von RechtanwältInnen ausgehandelten Vergleich hofft der Bayer-Konzern den überwiegenden Teil der Rechtsstreitigkeiten beenden zu können. Damit der Vergleich gültig wird, müssen die teilnehmenden Reis-FarmerInnen zusammen 85 Prozent der Anbaufläche von Langkornreis in den Vereinigten Staaten repräsentieren. Die FarmerInnen haben 90 Tage Zeit, sich zu entscheiden, ob sie dem Vergleich zustimmen oder die Gerichtsverfahren fortsetzen wollen. Vorausgegangen war ein jahrelanger juristischer Streit in mehreren Instanzen um die durch Bayer verursachte Gen-Kontamination.

Philipp Mimkes, Vorstandsmitglied der Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG) kommentiert die aktuellen Informationen aus St. Louis: "Wir gratulieren den Reis-Bauern zu diesem mühsam erstrittenen Erfolg. Zudem fordern wir die Europäische Union auf, den Antrag von Bayer CropScience auf Importzulassung für herbizidresistenten Reis endgültig abzulehnen. Der Kontaminations-Skandal in den USA zeigt einmal mehr, daß die Risiken gentechnischer Pflanzen schlicht unkalkulierbar sind."

Die CBG kooperiert seit Jahren mit den AnwältInnen der betroffenen Reis-FarmerInnen und forderte immer wieder in der jährlichen Hauptversammlung der Bayer AG den endgültigen Verzicht auf "Liberty Link“-Reis. Auf der Versammlung der Bayer AG am 29. April 2011 in Köln hatte Philipp Strohm, Gentechnik-Experte von Greenpeace, in einem Vortrag den Bayer-Vorstand und die Aktionäre mit drei grundlegenden Problemen konfrontiert. Erstens kommt es zu ökonomischen Verlusten, die die Gentechnik der Bayer AG inzwischen beschert hat - und damit auch der Dividende der Bayer-Aktie. Zweitens sind die Risiken der Gen-Technologie für Mensch und Natur denen der Atom-Technologie sehr ähnlich. Ebenso wie bei der Atomenergie existiert weltweit kein einziges Versicherungs-Unternehmen, das bereits wäre, durch Gentechnik verursachte Schadensfälle zu versichern. Und Drittens stelle sich die Frage, ob Gentechnik überhaupt in der Landwirtschaft benötigt wird.

Die auf ehrenamtlicher Basis arbeitende Organisation erinnert daran, daß Bayer die Betroffenen seinerzeit verhöhnt hatte, als die Auskreuzungen als ein "Act of God“ (Handeln Gottes) bezeichnet wurden. Erst durch kostspielige Prozesse, die die Reis-FarmerInnen ausnahmslos gewannen, konnte der Konzern zu der nun ausgehandelten Entschädigung gezwungen werden. "Die weitreichende Kontamination war keineswegs unausweichlich. Gemeinsam mit anderen Umweltverbänden hatten wir schon Jahre zuvor gewarnt, daß der Einsatz von LL-Reis zu Auskreuzungen und zur Verdrängung herkömmlicher Sorten führt," so Philipp Mimkes.

Mimkes und seine MitstreiterInnen führen seit 2004 auch eine Kampagne gegen eine EU-Importzulassung der Gen-Reis-Sorte LL62. Diese ist wie LL601 gegen das Herbizid Glufosinat resistent. Der Antrag des Bayer-Konzerns erhielt bei den Abstimmungen im EU-Ministerrat mehrfach keine Zustimmung, wurde bis heute aber nicht zurückgezogen. "Liberty Link" wäre das erste genmanipulierte Nahrungsmittel, das nicht nur als Tierfutter eine Zulassung erhielte, sondern direkt auf den Tisch der KonsumentInnen käme.

Ein großflächiger Anbau von "Liberty Link" hätte in den Anbauländern ein erhöhtes Schädlingsaufkommen und infolgedessen einen verstärkten Einsatz gefährlicher Pestizide zu Folge. Besonders in Asien drohe der Verlust traditioneller, lokal angepasster Reis-Sorten, wodurch langfristig die Ernährungssicherheit gefährdet wird. Das mit "Liberty Link" gekoppelte Herbizid Glufosinat ist laut CBG zudem hochgiftig, der Wirkstoff gehört zu denjenigen Pestiziden, die wegen erwiesener Gefahren für AnwenderInnen und VerbraucherInnen voraussichtlich keine erneute EU-Zulassung erhalten werden. Obwohl der Giftstoff in Europa künftig nicht mehr vertrieben werden darf, erhöhte Bayer kürzlich die Produktions-Kapazitäten für den Export – nach Ansicht der CBG ein klassisches Beispiel für "doppelte Sicherheits-Standards“.

Bayer hatte bereits in den Jahren 1998 bis 2001 in den USA auf Testfeldern mit Gen-Reis experimentiert. Zwar kam es nie zur Vermarktung, doch infolge von Gen-Kontamination wurden rund 30 Prozent des Reis-Abaus in den USA in Mitleidenschaft gezogen. Im Jahr 2006 tauchte "Liberty Link" plötzlich in 24 Ländern der Erde auf. Auch bis heute, im Jahr 2011, wird das Bayer-Konstrukt immer wieder in Reis-Lieferungen gefunden, so etwa kürzlich in Polen. Der Gen-Reis ist also völlig außer Kontrolle geraten und Bayer kann heute nicht mehr leugnen, daß keine Möglichkeit mehr besteht, auch nur vorherzusagen, wo von Bayer erschaffene Gen-Konstrukte auftauchen werden.

 

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Anmerkungen

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