Top Ten der globalen Umwelt-Kloaken
200 Millionen Menschen betroffen
Zürich (LiZ). Die internationale Umwelt-Organisation Green Cross veröffentlichte einen Bericht über die zehn am stärksten vergifteten Orte auf diesem Planeten. Die Gesundheit von rund 200 Millionen Menschen ist von Umweltgiften wie Blei, Quecksilber, Radioaktivität und Pestiziden gefährdet.
Die weltweit am stärksten von Vergiftung betroffenen Orte liegen laut dem am heutigen Dienstag von Green Cross in Zürich veröffentlichten Bericht in den acht Staaten Argentinien, Bangladesch, Ghana, Indonesien, Nigeria, Rußland, Sambia und in der Ukraine. Ausgewählt wurde die Orte für die Top Ten der globalen Umwelt-Kloaken unter mehr als 3000 Orten weltweit. Entscheidend waren die Kriterien: Wie stark werden bekannte Grenzwerte überschritten? Wie dramatisch entwickelt sich die Lage vor Ort? Wie viele Menschen sind betroffen?
Die gesundheitlichen Auswirkungen der dort vorgefundenen Schadstoffe sind nach Angaben der Umwelt-Organisation Green Cross etwa gleich hoch wie die von Aids, Tuberkulose und Malaria. "Weltweit entsteht jede fünfte Krebserkrankung wegen Umweltgiften oder Verschmutzungen," erklärte Jack Caravanos vom Blacksmith Institut. Die international tätige Non-Profit-Organisation hat an dem Bericht mitgewirkt.
Am schlimmsten ist die Umwelt-Vergiftung in einigen der sogenannten Entwicklungsländer. Fast ein Viertel aller Todesfälle und mehr als 80 Prozent aller Krankheiten sind dort laut Green Cross auf Umwelteinflüsse zurückzuführen. In Nigeria etwa pumpen Konzerne wie Shell das Öl aus der Erde, hinterlassen ein verarmtes Land und ein ölverschmutztes Niger-Delta, dessen BewohnerInnen der Vergiftung fast schutzlos ausgesetzt sind. Besonders betroffen sind die Kinder, die im Niger-Delta ebenso wie etwa in Tschernobyl oft schon vor der Geburt geschädigt sind.
Die Atom-Ruine von Fukushima taucht in den Top Ten von Green Cross zwar nicht auf, wird im Report aber ausführlich erwähnt. Der dreifache Super-GAU vom März 2011 gehöre zum Schlimmsten, was die Welt je gesehen habe. Noch immer fließt radioaktiv belastetes Wasser ins Meer. ExpertInnen bezweifeln, daß sich die kontaminierte Anlage überhaupt dauerhaft von der Umwelt abschotten läßt.
Rußland ist in dem Green-Cross-Bericht mit Dserschinsk und Norilsk unter den 'Top Ten' zweimal vertreten. Zwischen 1930 und 1998 wurden in Dserschinsk, einer Großstadt rund 400 Kilometer östlich von Moskau, rund 300.000 Tonnen Chemie-Abfälle unsachgemäß abgelagert. Bis heute sind Umweltgifte wie das Nervengas Sarin, Blei oder Phenole nachweisbar. Die Lebenserwartung der rund 245.000 BewohnerInnen liegt zehn Jahre unter dem russischen Durchschnitt. Die sibirische Industriestadt Norilsk ist Green Cross zufolge durch Schwermetalle so stark verschmutzt, daß der Schnee dort schwarz ist.
In Kabwe in der Republik Sambia verursacht Blei die enormen Umwelt-Probleme. Große Vorkommen wurden hier im Jahr 1902 entdeckt und in den folgenden 90 Jahren rücksichtslos gefördert. Besonders betroffen sind Kinder: In ihrem Blut wurde etwa zehnmal so viel Blei wie in dem von Kindern aus unbelasteten Regionen nachgewiesen.
Müll säumt die Ufer des Matanza Riachuelo in Argentinien. UmweltschützerInnen zufolge leiten Tausende Industrie-Unternehmen ihre Abwässer in den 64 Kilometer langen Fluß, der in der Millionenmetropole Buenos Aires in den Rio de la Plata mündet. An dem Wasserlauf sind zahlreiche Armen-Siedlungen entstanden. Etwa die Hälfte der Slum-BewohnerInnen hat laut Green Cross keinen Zugang zu Trinkwasser.
Ein falscher Umgang mit schädlichen Schadstoffen wie Quecksilber, etwa in einer Elektromüll-Deponie im westafrikanischen Ghana oder im indonesischen Kalimantan, haben zudem globale Auswirkungen. Das Gift gelange in die Atmosphäre.
Schädliche Chemikalien, die einfach in die Umgebung fließen, stellen in Gerbereien in Bangladesch die größte Herausforderung dar. In Hazaribagh sind laut Green Cross rund 185.000 BewohnerInnen akut bedroht. Besonders gefährdet sind demnach ArbeiterInnen, die ohne nennenswerten Schutz Chrom ausgesetzt sind.
"Wir müssen so schnell wie möglich handeln," fordert Stephan Robinson von Green Cross. Die richtige Entsorgung von Umweltgiften sei zwar anspruchsvoll, aber trotzdem wesentlich billiger als die Schäden im Nachhinein zu beseitigen. Der Kampf gegen Umweltverschmutzung sei nicht aussichtslos. Offenbar jedoch fallen Kosten, die frühesten in etwa zehn Jahren anfallen, im kapitalistischen Profitdenken nicht ins Gewicht - zumal sie in aller Regel nicht von Konzernen übernommen werden, sondern von der Allgemeinheit getragen werden müssen.
Anmerkungen
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