Stuttgart (LiZ). Vor zwei Monaten hatte Heiner Geißler als "Schlichterspruch" unter anderem verkündet, daß ein Stresstest durchgeführt werden solle. Damit galt offiziell als vereinbart, daß neutrale WissenschaftlerInnen mit der Berechnung der Leistungsfähigkeit des geplanten unterirdischen Stuttgarter Bahnhofs beauftragt werden. Mittlerweile wurde dies klammheimlich durch die Bahn AG und die Landesregierung Baden-Württembergs unter Stefan Mappus einseitig aufgekündigt.
Zum einen beabsichtigt die Deutsche Bahn AG nun, den Stresstest selbst durchzuführen. Dies eröffnet ihr vielfältige Möglichkeiten zur Manipulation des Ergebnisses. Der Fahrgastverband 'Pro Bahn', der noch bis vor kurzem davon überzeugt war, daß es zu einem fairen und aussagekräftigen Stresstest kommen würde, weist in diesem Zusammenhang jetzt darauf hin, daß schon während der "Schlichtung" der Hang der Bahn AG zur Faktenschönung überdeutlich geworden sei.
Zum anderen setzt Bahn-Chef Rüdiger Grube Bauarbeiten und Auftragsvergaben ohne Rücksicht auf Heiner Geißlers Versprechungen fort. Es werden damit weiter vollendete Fakten geschaffen, ohne das Ergebnis des Stresstests abzuwarten.
Der Fahrgastverband 'Pro Bahn' fordert daher nun "einen sofortigen und uneingeschränkten Baustop" für Stuttgart 21. Darüber hinaus müsse von weiteren Auftragsvergaben so lange abgesehen werden, bis die Ergebnisse des Stresstests vorliegen. Als unabdingbar erachtet 'Pro Bahn', daß mit dem Stresstest eine unabhängige Institution beauftragt wird und dieser nicht von der Bahn AG durchgeführt wird. Nach den Ergebnissen des Stresstests müsse demnach erneut die Abwägung zwischen den gleichberechtigten Optionen Stuttgart 21 und Kopfbahnhof 21 erfolgen.
Matthias Oomen, Pressesprecher von 'Pro Bahn', erklärt: "Die völlige Mißachtung des hart errungenen Schlichterspruchs führt die Schlichtung ad absurdum. Dies versetzt die Bürger Stuttgarts völlig zu Recht in Wut und gefährdet die Akzeptanz des Verkehrsmittels Bahn in der Bevölkerung." Die für die kommenden Tage angekündigten Baumfäll- und Versetzungsarbeiten fänden genau aus diesem Grund in der Mehrheit der Bevölkerung Stuttgarts keine Akzeptanz. Oomen weiter: "Es deutet sich an, daß die Bürgerinnen und Bürger Stuttgarts ihre Bäume und ihren Bahnhof mit aller nötigen Entschlossenheit verteidigen werden. Die Landesregierung muß die Ergebnisse des Stresstests abwarten und sollte keinerlei Bilder wie im September 2010 provozieren. Solche Szenen der brutalen Polizeigewalt dürfen sich in Stuttgart nicht wiederholen."
Wenn Heiner Geißler tatsächlich der ehrliche Makler wäre, als der er auftrat, müßte er sich jetzt gegen die offensichtliche Mißachtung des von ihm im "Schlichterspruch" geforderten Stresstests zur Wehr setzen. Das Verhalten zeigt - wie so oft - mehr vom Charakter eines Menschen als dessen Worte. Schon Jesus sagte: "Nicht an ihren Worten, sondern an ihren Taten sollt ihr sie erkennen!"
Tatsächlich haben die Erfahrungen des vergangenen Jahres gezeigt, daß allein mit Demonstrationen - auch bei einer beeindruckenden Beteiligung von über 100.000 Menschen - in Mappus-Land nichts erreicht werden kann. Mit der Verkündung des "Schlichterspruchs" wurde offenbar, daß die Inszenierung unter der Regie Geißlers nur dem Zweck diente, den Widerstand gegen das Mega-Projekt "Stuttgart 21" zu brechen. Auch wenn nach der Landtagswahl am 27. März der neue Ministerpräsident Winfried Kretschmann heißen sollte, wird "Stuttgart 21" weitergebaut. Wer sich noch an den Kosovo-Krieg oder an das Kohlekraftwerk Moorburg erinnert, macht sich keine Illusionen. Allerdings haben die Menschen am Kaiserstuhl am 18. Februar 1975 in dem bis dahin unbekannten Örtchen Wyhl gezeigt, wie ein Mega-Projekt gewaltfrei verhindert werden kann.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Beiträge:
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