24.09.2012

Greenpeace protestiert auf der Weser
gegen Plutonium-Transport

Mox-Transport mit hochgiftigem Plutonium auf dem Weg nach Nordenham, September 2012
Hamburg (LiZ). Am Sonntag (23.09.) protestierten rund 50 Greenpeace-Aktivisten mit zwölf Schlauchbooten auf der Weser vor Nordenham gegen den Transport plutoniumhaltiger MOX-Brennstäbe. Die Brenn­stäbe kommen aus der britischen Plutonium-Fabrik Sellafield in Cumbrien an der Irischen See und werden in das deutsche Atomkraftwerk Grohnde geliefert.

"Atomgeschäfte von E.on stoppen" fordern die Greenpeace-AktivistInnen mit Bannern. Die Schlauchboote umkreisen den Atomfrachter 'Atlantic Osprey', während er im Hafen in Nordenham festmacht. Die Lieferung der acht MOX-Brennstäbe ist der erste von zwei für diesen Herbst vorgesehenen Transporten aus Sellafield an den deutschen Strom-Konzern E.on. MOX steht für Mischoxid - dieses besteht aus Uran und Plutonium.

Insgesamt erhält E.on 16 dieser plutoniumhaltige Brennstäbe für sein Atomkraftwerk in Grohnde. Aus dem Hafen in Nordenham sollten zwei Spezial-Lastwagen die Brennelemente nach Grohnde bringen. Auf dem Weg dahin mußte der MOX-Konvoi spätabends noch kurz anhalten. Zwölf Greenpeace-AktivistInnen hatten sich an ein Brückengeländer gekettet und den Transporter zum Stehen gebracht.

Während des Spaltprozesses in einem Atomreaktor wandelt sich rund ein Prozent des Kernbrennstoffs in Plutonium um. Rund fünf Kilogramm des atomwaffenfähigen Materials reichen aus, um eine Atombombe zu bauen. Mit einem kleinen Teil des in Plutonium-Fabriken (sogenannten Wieder­aufarbeitungsanlagen) gewonnenen Plutoniums oder auch mit Plutonium aus Atomwaffen werden Mischoxid-Brennelemente (MOX) produziert, die in einem normalen Atomkraftwerk als Brennstoff eingesetzt werden können.

"Der Einsatz dieser plutoniumhaltigen Brennstäbe ist hochgefährlich," erklärt Heinz Smital, Atomphysiker und Experte von Greenpeace. "Ein schwerer Atomunfall ist mit diesen Brennelementen wahrscheinlicher und hätte schlimme Auswirkungen für die Menschen. Die MOX-Brennelemente aus der skandalträchtigen Plutonium-Fabrik Sellafield sollten nach den Erfahrungen in Fukushima als Atommüll entsorgt werden."

Mox-Transport mit hochgiftigem Plutonium auf dem Weg nach Nordenham, September 2012
Protest gegen den MOX-Transport mit hochgiftigem Plutonium
nach Nordenham

Die Plutonium-Fabrik Sellafield hat seit Jahren enorme technische Probleme. Die Anlage sollte ursprünglich 120 Tonnen MOX-Brennelemente im Jahr aus der "Wiederaufarbeitung" von Atommüll produzieren. Erreicht hat Sellafield aber mit einer Gesamtproduktion von 13 Tonnen nur rund ein Zehntel der ursprünglich geplanten Jahresleistung. Nach dem Super-GAU von Fukushima versprach die britische Regierung, die Skandal-Anlage endgültig stillzulegen.

"Es ist zu befürchten, dass diese Brennstäbe aus Sellafield schadhaft sind", warnt Smital. "Die Plutoniumfabrik ist geschlossen und für die Qualität der Brennelemente gibt es keine Gewähr. Was jetzt von dort kommt, ist der Kehricht einer schrotten Industrieanlage. Hinzu kommt: Für defekte Brennstäbe gibt es derzeit keine Entsorgungslösung. Die für hochradioaktiven Atommüll normalerweise genutzten CASTOR-Behälter sind für schadhafte Brennelemente nicht zugelassen."

Immer wieder kam es auch in den vergangenen Jahren in der Plutonium-Fabrik Sellafield zu skandalösen Zwischenfällen mit unabsehbaren Folgen für die Umwelt. So setzte beispielsweise 2001 in den Lagertanks für hochaktive Lösungen die Lüftung aus. In den Tanks bildete sich explosiver Wasserstoff. Die Betriebsmannschaft reagierte zweieinhalb Stunden lang nicht auf das Alarmsignal.

Bevor die Anlage 1981 umbenannt wurde, hieß sie Windscale. Unter diesem Namen ist einer der größten Atom-Unfälle der Geschichte bekannt, der sich 1957 zutrug. Im Oktober 1957 zerstörte ein Feuer einen Plutonium produzierenden Reaktor mit 1000 Tonnen Graphit und zehn Tonnen Uran in Brennelementen. Radioaktive Gase und Partikel entwichen in die Atmosphäre. Daraus resultierende radioaktive Niederschläge konnten in England und großen Teilen Nordeuropas gemessen werden. Erst 1983 wurde bestätigt, daß 39 Menschen an den Folgen des Störfalls ums Leben kamen. Und erst 2007 wurde veröffentlicht, daß der radioaktive Fallout ungefähr doppelt so groß war wie bis dahin bekannt. Auch wurde publik, daß die Zahl der Krebsfälle, die das Unglück auslöste, deutlich höher als angenommen war (Atmospheric Environment, Bd. 41, S. 3904, 2007).

Die sogenannte Wiederaufarbeitung von Atommüll hat weitere schwerwiegende Folgen. Radioaktive Abwässer werden bedenkenlos in die Irische See geleitet. Über die Meeresströmungen verteilt sich die strahlende Last bis in die Deutsche Bucht und die Ostsee. WissenschaftlerInnen wiesen die Strahlung sogar in der kanadischen Arktis und vor der Küste Sibiriens nach. Ein Vergleich von Bodenproben belegt, dass die Umgebung um die "Wiederaufarbeitungsanlage" Sellafield vergleichbar stark radioaktiv belastet ist wie die 30-Kilometer-Sperrzone um den Katastrophen-Reaktor von Tschernobyl (Stand 2005).

Trotz vergangener Atomkatastrophen und deren fatalen Folgen, setzt E.on als größter privater Energiekonzern weltweit immer noch stark auf hochgefährliche, teure und längst veraltete Atomtechnik. Als letzter deutscher Atomkonzern betreibt E.on auch weiterhin den Bau von Atomkraftwerken wie im nordfinnischen Pyhäjoki. Dort kämpft das Unternehmen mit massiven Verzögerungen und Finanzierungsproblemen. Dennoch setzt E.on wegen der unterm Strich gigantischen Profite weiter auf Atomenergie und bremst mit aller Macht den Ausbau der erneuerbaren Energien.

 

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