Bern (LiZ). Noch bis Ende November 2013 gilt das - bereits einmal um zehn Jahre verlängerte - Moratorium für den Anbau genmanipulierter Pflanzen in der Schweiz. Dennoch ist das Land gegen die skrupellose Verbreitung von Gen-Saaten nicht völlig geschützt. Entlang der Bahnlinie bei Lugano wurden gen- manipulierte Raps-Pflanzen entdeckt.
Genmanipulierte Organismen dürfen in der Schweiz - trotz Gen-Moratoriums - bei einer behördlichen Bewilligung versuchsweise freigesetzt werden. Doch die Freisetzung von Gen-Raps ist nicht etwa unvorsichtigen Forschungs-Instituten, sondern der Schweizer Eisenbahn anzulasten. Denn diese hatte genmanipuliertes Saatgut befördert, das beim Transport entlang der Bahngleise verweht wurde. Entdeckt wurde der Gen-Raps Dank eines vom Schweizer Bundesamt für Umwelt aufgebauten Monitoringsystems.
In den USA entdeckten WissenschafterInnen der Universität von Arkansas im August vergangenen Jahres (siehe unseren Bericht vom 6.08.10) genmanipulierten Raps entlang großer Überland-Straßen. Außerdem konnten sie in 80 Prozent der untersuchten Wildplanzen Gene entdecken, die aus genmanipuliertem Raps stammten.
In Deutschland gibt es keine vergleichbaren Studien, was auf eine weitestgehend gleichgeschaltete BiologInnen-Zunft in den universitären und industriellen Forschungseinrichtungen zurückzuführen ist. Auch in der Zeit der angeblich gegen Agro-Gentechnik eingestellten "rot-grünen" Bundesregierung zwischen 1998 und 2005 waren in dieser Hinsicht keine Aktivitäten zu erkennen. Im Jahr 2002 wurde eine Kampagne zur Einführung eines Gen-Moratoriums in Deutschland von großen Umweltschutz-Organisationen wie Greenpeace oder dem BUND nicht unterstützt, da dies dem Image der "rot-grünen" Bundesregierung abträglich gewesen wäre.
Doch auch in der Schweiz stellte sich heraus, daß die BiologInnen-Zunft an den Universitäten die von ihnen versprochene Sicherheit bei Versuchen mit genmanipulierten Pflanzen nicht gewährleisten konnte. So wurden in der Umgebung von biologischen Loboratorien der Universitäten Zürich, Basel und Lausanne Exemplare der genmanipulierten Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) gefunden. Die Ackerschmalwand ist eine Pflanze, die in der biologischen Forschung häufig Verwendung findet. Die betroffenen Laboratorien wurden vom Schweizer Bundesamt für Umwelt über die Funde informiert und aufgefordert, alle möglichen Austrittswege zu analysieren, zusätzliche Sicherheits- maßnahmen zu evaluieren und in ihr Biosicherheitskonzept aufzunehmen. Für die Kontrolle der Einschließungspflicht und der Sicherheitsmaßnahmen sind in der Schweiz allerdings die Kantone zuständig.
Ebenfalls durch das vom Schweizer Bundesamt für Umwelt aufgebaute Monitoringsystem wurden die genmanipulierten Rapspflanzen beim Bahnhof Lugano entdeckt. Der Kanton Tessin ließ die Pflanzen gemäß der Freisetzungsverordnung entfernen. Mittlerweile wurde ermittelt, daß der Gen-Raps vom US-Konzern Monsanto stammt. Der Gen-Raps von Monsanto wurde so manipuliert, daß er Giftduschen mit dem konzerneigenen Herbizid Roundup überlebt - damit wurden auch die Bahndämme besprüht. Von daher war es nicht sonderlich schwierig, die Pflanzen zu entdecken.
Gen-Raps ist besonders gefährlich in Hinblick auf die unkontrollierte Auskreuzungsfähigkeit. Per Pollenflug kann Gen-Raps das manipulierte Erbgut auf verwandte Pflanzen übertragen, die der Raps in großer Zahl besitzt. Der Raps-Samen kann bis zu zehn Jahre im Boden keimfähig bleiben. In den USA und Kanada konnten auch Jahre nach dem Anbau genmanipulierter Raps-Pflanzen deren Nachkommen auf den betroffenen Feldern nachgewiesen werden.
Es sei davon auszugehen, daß die vom Schweizer Bundesamt für Umwelt gemeldeten Funde nur die Spitze des Eisbergs darstellen, erklärt Greenpeace Schweiz. Raps verbreitet sich schnell. Greenpeace Schweiz warnt davor, daß der Gen-Raps auch konventionell oder ökologisch bewirtschaftete Felder, Ernten und Saatgut verunreinigen kann. Die Schweizer Behörden müßten daher "rigorose Maßnahmen" umsetzen, um eine weitere Verunreinigung von Schweizer Ackerflächen zu stoppen.
Während vor allem in Nord- und Südamerika Gen-Pflanzen angebaut werden, ist in Europa der Widerstand gegen diesen Anbau und gegen genmanipulierte Lebensmittel sehr groß. In den Anbauländern zeigt sich, daß eine Koexistenz, also das Nebeneinander von ökologischer oder konventioneller Landwirtschaft auf der einen Seite und Gen-Landwirtschaft auf der anderen nicht möglich ist. Kanadische LandwirtInnen etwa können heute schon keinen gentechnikfreien Raps mehr garantieren. Ursache sind die zunehmende Gen-Kontamination von gentechnikfreier Ware und die sehr schnell voranschreitende Konzentration im Saatgutmarkt. Auch deutsche Chemie-Konzerne wie BASF und Bayer oder der Schweizer Agro-Konzern Syngenta versuchen bei der Gentechnik mitzumischen.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Niederlage für BASF
Freispruch für Aktivisten gegen Gen-Kartoffeln (6.12.11)
Australien: Greenpeace
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