14.05.2023

Wald-AIDS: Deutsche Wälder
mit erworbener Immun-Schwäche

Wald-AIDS - Foto: Klaus Schramm, Creative-Commons-Lizenz Nicht-Kommerziell 3.0
Berlin (LiZ). Nach wie vor sind rund 80 Prozent der deutschen Waldbäume krank. Dies geht aus einem - in diesem Jahr deutlich verspätet - vorgelegten "Waldzustandsbericht" für 2023 hervor. Der Anteil mit deutlichen Schäden stieg bei den Eichen von 40 auf 44 Prozent, bei den Buchen von 45 auf 46 Prozent und bei den Fichten von 40 auf 43 Prozent. Lediglich bei den Kiefern waren leichte Verbesserungen zu verzeichnen. Die Zahlen wären noch viel schlechter, wenn die Bäume nicht von Jahr zu Jahr immer jünger gefällt würden. Dieser elende Zustand der deutschen Wäldern hält nunmehr seit Jahrzehnten an, ohne daß die notwendigen politischen Maßnahmen ergriffen würden.

Ändern ließe sich dieser Zustand in erster Linie durch eine Reduzierung der Stickstoff-Emissionen der industriellen Landwirtschaft und in zweiter Linie durch eine Verkehrs-Wende. Beide Maßnahmen wären zudem hinsichtlich eines effektiven Klimaschutzes dringend erforderlich. Wie kaum anders zu erwarten sind jedoch von Cem Özdemir von den Pseudo-Grünen, dem seit über zwei Jahren amtierenden sogenannten Umwelt-Minister, nur leere Phrasen zu hören: "Der Wald entwickelt sich zum Dauerpatienten." Nötig sei "eine Langzeitkur", um zu mehr Mischwäldern zu kommen.

In den Mainstream-Medien ist von den tatsächlichen Ursachen von Wald-AIDS meist nichts zu lesen. Weitverbreitet ist hingegen das Narrativ, die klimatischen Veränderungen mit zunehmender Trockenheit, Hitze und der Befall durch den Borkenkäfer seien ursächlich. Ein gesunder Wald kann jedoch - zumindest beim derzeitigen Ausmaß der klimatischen Veränderungen in Deutschland - sowohl Dürre- und Hitze-Perioden wie in den vergangenen Jahren als auch immer wieder massenhaft auftretende Insekten verkraften. Die durch den permanenten Stickstoff-Eintrag in ihrer Immunabwehr geschädigten deutschen Wälder halten dem allerdings nicht stand.

Der "Waldzustandsbericht" wird seit 1984 in den Bundesländern mit Hilfe räumlich verteilter Stichproben erstellt. Dabei wird von Mitte Juli bis Mitte August die Blattmasse der Kronen ermittelt und vier "Schadstufen" zugeordnet. Diesmal waren es 9688 Bäume an 402 Stichproben-Punkten. Das bundeseigene Thünen-Institut bündelt die Daten dann zu einem deutschlandweiten Ergebnis. Wie dicht Laub oder Nadeln sind, gilt als ein Indikator für den Gesundheitszustand.

Laut der Erhebung zeigt sich "ein negativer Trend" und vor allem die "älteren Bäume über 60 Jahre sind von Schad-Erscheinungen betroffen". Umweltorganisationen fordern eine Wende in der Waldwirtschaft. Greenpeace weckt die Hoffnung, Özdemir werde eine "historische Chance" ergreifen und das bestehende "Abholz-Gesetz" in ein "Waldschutz-Gesetz" umzuwandeln. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) fordert, die Bundesregierung solle im neuen Waldgesetz einen behutsamen Umgang mit Wald sicherstellen, konkrete ökologische Mindeststandards für die Forstwirtschaft beschließen und die Fläche der Naturwälder von unter fünf auf 15 Prozent der Waldfläche ausweiten. Der Naturschutzbund (NaBu) fordert "zeitgemäße Vorgaben" etwa für ein Kahlschlag-Verbot und ein Entwässerungsverbot.

Der Verband der Waldeigentümer erklärte hingegen, daß nicht die rechtlichen Bedingungen Ursache der Schäden seien, sondern der Klimawandel. Es brauche keine zusätzliche Regulierung, die den notwendigen Waldumbau lähme. Diese Position ist nicht verwunderlich, da sich der Verband der Waldbesitzer personell weitgehend mit der Lobby der industriellen Landwirtschaft überschneidet. Effektive Forderungen zum Schutz der deutschen Wälder sind von dieser Seite deshalb nicht zu erwarten. Die Schäden bei der "Waldernte" werden auch unter Özdemir durch erhöhte Subventionen ausgeglichen - aktuell versprach er zusätzliche 250 Millionen Euro an "Förderung".

Da der pseudo-grüne Minister Cem Özdemir zugleich für die Landwirtschaft verantwortlich ist, muß damit gerechnet werden, daß er auch in den kommenden zwei Jahren nichts an den Schadstoff-Emissionen der industriellen Landwirtschaft ändern und auch die Agrar-Wende weiterhin massiv hintertreiben wird. Schon Anfang 2023 war ersichtlich, daß Özdemir die Forderungen der Zukunftskommission Landwirtschaft ignoriert (Siehe unseren Artikel v. 31.01.23).

Die Ampel-Regierung hat in ihrem Koalitionsvertrag von 2021 eine Novelle des Bundeswaldgesetzes versprochen. Das jetzige Gesetz stammt aus dem Jahr 1975 und ist nach Ansicht von Umweltverbänden nicht mehr zeitgemäß. Es ist weder den veränderten Anforderungen der Gesellschaft an den Wald gewachsen, noch der aktuellen Waldkrise in Zeiten von Erderhitzung, Artensterben und Ressourcenknappheit. Aktuell befindet sich der Gesetzesentwurf angeblich in der Ressortabstimmung.

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Globale Entwaldung schreitet voran
      WRI-Bericht alarmierend (5.04.24)

      Juli-Regen nicht ausreichend
      Deutsche Wälder weiter im Dürrestress (31.07.23)

      Wald-AIDS
      Über 80 Prozent der Bäume in den
      deutschen Wäldern sind krank (21.03.23)

      Abholzung für Einwegverpackungen in Deutschland
      Kahlschläge in finnischen Wäldern treiben Erderwärmung an
      (4.11.22)

      Alleen verschwinden unbemerkt
      BUND: Allee des Jahres bei Ribnitz-Damgarten (26.10.22)

      Abholzung des Amazonas-Regenwaldes
      wird vorangetrieben (4.02.22)

      Vernichtung des Amazonas-Urwalds
      Präsident Bolsonaro steigert Verlust-Rate um 22 Prozent
      (18.11.21)

      Illegales Tropenholz für 'Gorch Fock'
      Bundesregierung mißachtet Gesetze (4.10.21)

      Vernichtung des Amazonas-Urwalds
      am Kipp-Punkt
      Geht der Amazonas-Urwald verloren,
      ist der globale Kampf um Klimaschutz gescheitert (3.09.21)

      Waldelefant: Die Ausrottung geht weiter
      Einzelne positive Beispiele (25.03.21)

      Wald-AIDS im Jahr 2020
      Schlimmste Diagnose seit 36 Jahren (24.02.21)

      Immer schneller in die Klimakatastrophe
      Sind wir bereits im Pyrozän? (11.09.20)

      Wald-AIDS ist jetzt so schlimm
      wie in den 1980er-Jahren (23.04.20)

      Der Amazonas-Urwald brennt
      - eine globale Umwelt-Katastrophe (22.08.19)

      Neues Symptom bei Wald-AIDS:
      Wipfel-Bruch (6.06.19)

      3 Prozent Naturwald in Deutschland
      BUND: "Armutszeugnis" (4.04.19)

      50.000 Menschen bei Demo am Hambacher Forst
      Der Beitrag der Pseudo-Grünen (6.10.18)

      Waldzerstörung in Polen gestoppt
      EUGH erläßt Verfügung (21.11.17)

      70 Fußballfelder Urwald pro Tag
      Die Umwelt-Katastrophe in Europa (14.10.17)

      Wald-AIDS in Ba-Wü
      Weiter zwischen Leben und Tod (10.12.15)

      Wald-AIDS 2014
      Zustand zwischen Leben und Tod (11.02.15)

      Wald-AIDS in Baden-Württemberg
      Buchen besonders stark geschädigt (4.12.14)

      Buschbeller Wald bei Köln bedroht
      Unsinniger Sandabbau (21.07.14)

      Wald-AIDS 2013
      Zustand schlechter - nicht besser (10.03.14)

      Nationalpark im Schwarzwald kommt
      Kleiner Fortschritt in Baden-Württemberg (28.11.13)

      Wald zu 98 Prozent Rohstofflieferant
      Nur 2 Prozent Naturwald dienen als Alibi (15.10.13)

      Dem deutschen Wald geht es
      schlechter als in den 1980er-Jahren (4.02.13)

      Wald-AIDS greift um sich
      Zustand der Buchen auf historischem Tiefpunkt (2.03.12)

      Merkel degradiert Wald zum Rohstofflieferanten
      Wald-AIDS in den Medien nahezu vergessen (21.09.11)

      Giftige Grünalgen an der bretonischen Küste
      Sarkozy: "Industrielle Landwirtschaft unschuldig"
      (29.07.11)

      Keine Entwarnung bei Wald-AIDS
      Zustand kaum verändert (1.02.11)

      Wald-AIDS in Baden-Württemberg
      Schäden innerhalb der Schwankungsbreite
      Zustand der Eichen nach wie vor "alarmierend" (27.11.10)

      Appell gegen Massentierhaltung
      Für eine Agrar-Wende (23.11.10)

      Bayerischer Forstminister
      und wenig Promille (18.08.10)

      Globale Waldvernichtung:
      13 Millionen Hektar pro Jahr (26.03.10)

      Wald-AIDS weiter virulent
      Aigner veröffentlicht "Waldzustandsbericht 2009"
      (22.01.10)

      Wald-AIDS in Baden-Württemberg:
      Oettinger legt desaströsen "Waldzustandsbericht" vor
      Haupt-Verursacher Massentierhaltung weiter verleugnet
      (1.12.09)

      Baden-Württemberg: Wald liefert 37 Prozent
      weniger Gewinn
      Wald-AIDS, Nachwirkungen von Sturm Lothar
      und Klimawandel spürbar (21.08.09)

      Trotz Wald-AIDS:
      Deutsche Forstwirtschaft nicht nachhaltig (21.07.09)

      "Waldzustandsbericht" 2008 veröffentlicht
      Wald-AIDS verschlimmert sich schleichend (21.02.09)

      Wald-AIDS auch in den USA
      Sterberate in 20 Jahren verdoppelt (24.01.09)

      Wald-AIDS:
      Elende Zustände in Baden-Württemberg (18.11.08)

      Wald-AIDS wird beschwiegen
      Mainstream-Medien leugnen weiterin Hauptverursacher
      (19.03.08)

      Wald-AIDS im Jahr 2007
      und das Elend der Politik (30.01.08)

      Wald-AIDS in Baden-Württemberg
      Nur drei Jahre seit 1983 waren schlimmer... (24.11.07)

      Wald-AIDS im Jahr 2006
      Haupverursacher Landwirtschaft (25.01.07)

      Seehofer will die jährlichen
      "Waldschadensberichte" canceln (14.07.06)

      Wald-AIDS im Jahr 2005
      Der Waldzustandsbericht und die Ursachen (22.01.06)

      Der Wald hat AIDS
      "Rot-Grün" schaut zu (18.03.05)

      Wald-AIDS so schlimm wie nie zuvor (8.12.04)

      Wald-AIDS - Zustand schlimmer als 1983 (19.10.04)

      WWF sieht "Rot-Grün" auf dem Holzweg
      "Holz-Charta" offenbart Mißachtung der Wälder (3.09.04)

      Der Wald hat AIDS
      Aktuelle Befunde am Krankenbett (28.06.04)

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