Ludwigshafen (LiZ). Ein großer Erfolg für die Gentechnik-Gegnerinnen in Europa: Der weltgrößte Chemie-Konzern BASF kündigt einen Teilrückzug an. Das Unternehmen verlegt seine Gentechnik-Zentrale in die USA. Damit ist offenbar auch ein endgültiges Urteil über die umstrittene Gen-Kartoffen Amflora gesprochen.
Der weltgrößte Chemie-Konzern BASF gibt den europäischen Markt für Agro-Gentechnik weitgehend auf und begründet dies mit der fehlenden Akzeptanz in Europa. Moralische Einsicht in die verbrecherischen Unternehmungen der vergangenen Jahrzehnte ist damit offensichtlich jedoch nicht verbunden. So hofft die Branche nach wie vor, sich nach einem strategischen Rückzug langfristig auch in Europa durchzusetzen. BASF-Vorstand Stefan Marcinowski erläuterte die Konzern-Entscheidung heute mit einer zwiespältigen Äußerung in Bezug auf die Akzeptanz von Gentechnik in Europa: "Ich habe keine Hoffnung auf einen schnellen Meinungswandel."
Weil entsprechende Profite aber derzeit vor allem in Nord- und Südamerika erwartet werden, verlegt BASF den Sitz seines Tochterunternehmens für die sogenannte grüne Gentechnik von Limburgerhof bei Ludwigshafen in die USA. Ein Konzern-Sprecher beklagte heute, in weiten Teilen Europas fehle noch immer die Akzeptanz bei der Mehrheit der Verbraucher, Landwirte und Politiker für die Pflanzenbiotechnologie. Verschwiegen wurde hierbei, daß vor allem die deutsche Stärke-Industrie nicht in dem von BASF erhofften Maß von der eigens für den industriellen Bedarf konstruierten Gen-Kartoffel Amflora zu überzeugen war. BASF war insbesondere wegen diesem Knollen-Konstrukt in die Kritik geraten. So waren entgegen öffentlicher Sicherheits-Bekundungen von BASF des öfteren genmanipulierte Amflora-Knollen außerhalb eingezäunter Versuchsflächen aufgefunden worden.
Weder Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner noch Wirtschaftsminister Philipp Rösler wollten sich zu der für sie sicherlich bitteren Entscheidung der Konzerns äußern. Lediglich ein Sprecher der "F"DP lamentierte einmal mehr über "Fortschrittsfeindlichkeit". Greenpeace-Biologe Dirk Zimmermann bezeichnete die BASF-Entscheidung als konsequent: "Es gibt aus gutem Grund keine Chancen für die Gentechnik in Europa." Die VerbraucherInnen lehnten genmanipulierte Pflanzen und Nahrungsmittel ab und für die LandwirtInnen berge die Haftungsfrage große Risiken. Zudem sei die sogenannte Koexistenz von gentechnischer Landwirtschaft auf der einen und herkömmlicher oder Bio-Landwirtschaft auf der anderen Seite nicht möglich. "Wir wollen nicht, dass diese Pflanzen auf die Äcker kommen, weil sie nicht beherrschbar sind," so Zimmermann. Auch der Landwirtschafts-Verband Bioland in Mainz begrüßte den Teilrückzug von BASF. Dies zeige, daß der massive Widerstand gegen die Agro-Gentechnik eine Wirkung habe, sagte Bioland-Sprecher Gerald Wehde.
BASF will den Standort der Tochter 'BASF Plant Science' ins Forschungszentrum 'Research Triangle Park' nahe Raleigh im US-Bundesstaat North Carolina verlegen. 'BASF Plant Science' hat nach eigenen Angaben weltweit rund 840 MitarbeiterInnen, 157 davon in Limburgerhof (Rheinland-Pfalz) und 57 in Gatersleben (Sachsen-Anhalt). Laut BASF sollen in Limburgerhof nur noch elf MitarbeiterInnen beschäftigt werden, der Standort Gatersleben werde geschlossen, die Stellen zum großen Teil verlegt, so daß im Verlauf von zwei Jahren insgesamt lediglich 78 Stellen in Europa abgebaut würden. Der konzerninterne Umbau, der laut BASF-Angaben bis Ende 2013 abgeschlossen sein soll, werde zwischen 10 und 15 Millionen Euro kosten. Dies zeigt, daß es sich bei dem Manöver des Konzerns keineswegs um einen radikalen Schnitt handelt.
Freuen werden sich aber vor allem die Gentechnik-GegnerInnen in Europa über die heutige Ankündigung von BASF-Vorstand Stefan Marcinowski: "Es findet kein Amflora-Anbau mehr in Deutschland statt." Wie wenig Einsicht damit verbunden ist, zeigt allerdings die sofort nachgeschobene Aussage, daß es aber wohl noch den ein oder anderen Freilandversuch im Rahmen laufender Verfahren geben werde. Im laufenden Jahr werden daher vermutlich weitere Entschärfungs-Aktionen von Gentechnik-GegnerInnen die Performance des Konzerns motivierend begleiten.
Anmerkungen
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