12.12.2014

Sind Soldaten im Unterricht "normal"?
Wie steht's in Baden-Württemberg?

Interview mit Roland Blach

Roland Blach - Foto: Stefan Philipp
Vorbemerkung:
Vor wenigen Jahren noch hatte eine in Baden-Württemberg 1979 gegründete Partei von der Landesregierung gefordert, die Kooperations­vereinbarung mit der Bundeswehr zu kündigen. Es geht darum, daß Jugendoffizier der Bundeswehr im Schulunterricht Werbung machen dürfen. Die seit 2011 amtierende – angeblich grün-rote – Landesregierung unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann hält jedoch an dieser Kooperationsvereinbarung fest.
Klaus Schramm sprach mit Roland Blach.

K. S.:
Die baden-württembergischen Mainstream-Medien melden nun, auch die Friedensbewegung akzeptiere mittlerweile, daß "Jugendoffiziere der Bundeswehr im Unterricht normal" seien. Wie sehen Sie dies?

Roland Blach:
Das stimmt natürlich überhaupt nicht. Wir setzen uns dafür ein, daß sich möglichst viele Schulen in Baden-Württemberg als bundeswehrfrei deklarieren und keine Kooperation mit dem Militär eingehen. Es ist weder normal, daß Jugendoffiziere ihre einseitige Sichtweise von Friedens- und Sicherheitspolitik im Unterricht darstellen, noch ist es normal, daß Karriereberater Werbung für den nicht normalen Beruf des Soldaten in der Schule machen - auch ungeniert bei Minderjährigen.

Ist es für Sie eine Option, auf die Forderung "Soldaten raus aus den Schulen!" zu verzichten, um im Gegenzug eine – wie es nun heißt – Chancengleichheit erreichen zu können?

Mit der Kampagne "Schulfrei für die Bundeswehr" geht es zunächst kurz- und mittelfristig darum, die Privilegien der Bundeswehr in der Schule einzudämmen und damit die Kooperationsvereinbarung wie in Baden-Württemberg zu kündigen. Dazu gehören auch klare Regeln wie Werbeverbote für Jugendoffiziere und Karriereberater. Es ist aber als langfristiges Projekt angelegt, ein antimilitaristisches Bildungssystem zu etablieren. Dies hat zum Beispiel die GEW in Nordrhein-Westfalen beschlossen. Gleichzeitig muß es uns aber gelingen, die institutionalisierte Friedensbildung voranzutreiben insbesondere durch Qualifizierung der Lehrer und Lehreranwärter. Beides erfordert aber gleichermaßen einen Kraftakt. Und beides gleichzeitig ist aber dringend notwendig.

Wäre denn überhaupt damit zu rechnen, daß die Friedensbewegung entsprechend finanziell ausgestattet würde, um mit der personellen Präsenz von Bundeswehroffizieren an den Schulen mithalten zu können?

Im Moment geht es nicht darum, die Friedensbewegung finanziell auszustatten. Aktuell sind jeweils 100.000 Euro für die Jahre 2015 und 2016 im Landeshaushalt für Friedensbildung geparkt. Wie die Mittel verteilt werden, wird derzeit in einem intensiven Prozeß zwischen dem Kultusministerium und den Organisationen, die die gemeinsame Erklärung zur Stärkung der Friedensbildung unterzeichnet haben, erarbeitet.

Nun wurde in der DFG/VK, deren Landesgeschäftsführer sie sind, diskutiert, derzeit laufende Gespräche mit dem Kultusministerium in Stuttgart abzubrechen. Sehen Sie die Gefahr, daß Teile der Friedensbewegung "über den Tisch gezogen" werden könnten?

Warum sollten wir über den Tisch gezogen werden? Das hieße doch, daß wir in diesem Gesprächsprozeß auf unsere Kernforderungen verzichten würden. Und das ist mitnichten der Fall. Die Friedensbewegung arbeitet dazu weiter Hand in Hand mit Organisationen wie der GEW Baden-Württemberg. Klar haben wir es bislang nicht erreicht, daß die Kündigung der Kooperationsvereinbarung vollzogen wurde. Aber die Bundeswehr gerät wegen ihres Auftretens in der Schule nicht nur in Baden-Württemberg zunehmend unter Druck. Jüngst hat der Kultusminister in Sachsen-Anhalt ein Werbeverbot für Soldaten und klare Regeln erlassen. Ich erwarte, daß dies auch im Ländle so kommen wird.

Was kann denn bei diesen Gesprächen erreicht werden und welche Risiken bestehen aus Ihrer Sicht?

Wir stehen gerade in Baden-Württemberg vor der einmaligen Situation, einen eigenständigen Weg der Friedensbildung zu implementieren. So ein Prozeß ist nach meinen Kenntnissen einmalig in Deutschland. Dazu ist aktuell ein großer Wille auf allen Seiten vorhanden. Die Friedensbewegung muß dabei mit großem Nachdruck für ihre Ziele werben. Dabei geht es zum Beispiel um Medienkompetenz zum Thema Frieden/Krieg und das Sichtbarmachen von Möglichkeiten und Erfahrungen der zivilen Konfliktbearbeitung und Gewaltfreiheit. Wenn wir als Friedensbewegung nicht beharrlich unsere Kompetenzen und Erfahrungen dabei einbringen, wird sich allerdings nichts ändern. Diese Gefahr sehe ich aktuell nicht.

Danke für das Gespräch.


Roland Blach ist Geschäftsführer des DFG/VK-Landesverbands Baden-Württemberg und für die DFG/VK Mitglied im Trägerkreis der Kampagne 'atomwaffenfrei.jetzt'.

 

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Anmerkungen

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