Pestizid in deutschen Bieren
Rein trotz Glyphosat?
München (LiZ). Laut dem deutschen Reinheitsgebot von 1516 darf Bier nur die vier Zutaten Wasser, Malz, Hopfen und Hefe enthalten. Doch ausgerechnet zum 500-jährigen Jubiläum stellte das Umwelt-Institut München bei einem Test fest, daß in den 14 meistgetrunkenen Bieren der beliebtesten Bier-Marken Deutschlands das Pestizid Glyphosat enthalten ist.
Bei dem Test wurde in allen Bieren das in Deutschland am häufigsten eingesetzte Ackergift nachgewiesen. Rund 6000 Tonnen Glyphosat gehen jährlich auf Deutschlands Äcker und Kleingärtner nieder. Die gefundenen Werte lagen zwischen 0,46 Mikrogramm pro Liter (µg/l) und 29,74 µg/l - im Extremfall also fast 300-fach über dem gesetzlichen Grenzwert für Trinkwasser, der bei 0,1 µg/l liegt. "Damit wird das deutsche Reinheitsgebot ausgerechnet in seinem 500. Jubiläumsjahr zur Farce," sagte Sophia Guttenberger, vom Umwelt-Institut München.
Das Umwelt-Institut München konstatiert zwar, daß die gemessenen Glyphosat-Mengen in absoluten Zahlen klein sind. Die Test-Ergebnisse seien dennoch "besorgniserregend". Glyphosat wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als erbgutschädigend und "wahrscheinlich krebserregend beim Menschen" eingestuft. Der Stoff steht zudem unter Verdacht, hormonell wirksam zu sein. Bei krebserregenden und hormonwirksamen Stoffen gibt es keine Untergrenze, unter der sie sicher sind. Sie können selbst in kleinsten Mengen eine gesundheitsschädigende Wirkung entfalten.
Die Tatsache, daß die TesterInnen des Umwelt-Instituts bei allen Proben fündig wurden, läßt vermuten, daß auch andere Bier-Sorten und Bier-Marken beziehungsweise Brauereien von einer Belastung mit Glyphosat betroffen sein können. Auch in Getreide und Backwaren wurde der Stoff bereits nachgewiesen. Dies ist nach Ansicht der UmweltschützerInnen ein weiterer Indikator dafür, daß der verbreitete Einsatz von Glyphosat letztlich dazu führt, daß das Pestizid über die Nahrung am Ende wieder beim Menschen landet. Seit längerem ist bekannt, daß bei wissenschaftlichen Untersuchungen des Urins bei StudentInnen die Belastung mit Glyphosat in den vergangenen 15 Jahren gestiegen ist.
Die UmweltschützerInnen verwendeten beim Bier-Test die sogenannte ELISA-Methode. Diese Methode ist die sensibelste, die es derzeit gibt. Mit einer Bestimmungsgrenze von 0,075 µg/l kann sie selbst sehr kleine Spuren von Glyphosat aufspüren. Die drei Biere, in denen das Umwelt-Institut München die höchsten Rückstände gefunden hat, wurden zusätzlich mit der weitaus weniger sensiblen LC-MS/MS-Methode quertesten. Im Quertest erwies sich ELISA als zuverlässige Nachweismethode. LC-MS/MS ist eine Methode, mit der auch das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) arbeitet, um auf Glyphosat-Rückstände zu testen.
Die Deutschen konsumieren im Durchschnitt 107 Liter Bier pro Jahr. Durch die Untersuchung ist jetzt klar: Bier-TrinkerInnen nehmen unbewußt auch Glyphosat zu sich. Das Umwelt-Institut München wirft daher die Frage auf: "Wie paßt dies zu dem Image von Reinheit und Natürlichkeit, für das deutsches Bier weltweit steht?" Die deutschen Brauereien seien jetzt gefordert - sie müßten klären, wie das Pestizid des US-Agro- und Chemie-Konzerns Monsanto ins Bier gelangen konnte und sie müßten in Zukunft sicherstellen, daß ihre Produkte frei von Pestizid-Rückständen sind.
Ein entsprechender Test mit Bier aus dem Bio-Laden liegt leider bisher nicht vor. Eine bayerische Bio-Brauerei weist allerdings darauf hin, daß sie alle Rohstoffe vom Hopfen über die Gerste bis zum Wasser selbst auf mögliche Rückstände untersuche und seit 30 Jahren nur rückstandsfreie Rohstoffe aus kontrolliert biologischer Landwirtschaft einsetze. Sie könne daher garantieren, daß ihr Bier kein Glyphosat enthält.
Anmerkungen
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