Glyphosat in konventionellem Wein
und Traubensaft
Hamburg (LiZ). Eine Untersuchung im Auftrag von Greenpeace brachte zutage, daß in über 63 Prozent der getesteten konventionellen Weine und Traubensäfte das Pestizid Glyphosat enthalten ist. Die Proben aus der Bio-Landwirtschaft waren dagegen rückstandsfrei.
Nach dem Skandal um Glyphosat im Bier, den das Umwelt-Institut München im Februar - ausgerechnet zum 500-jährigen Jubiläum des Reinheits-Gebots - aufgedeckt hatte (Siehe unsere Artikel v. 25.02.16 und v. 27.02.16) wurde die Problematik in den Mainstream-Medien schnell wieder in den Hintergrund gerückt. Als "schockierend" sind die Ergebnisse kaum mehr zu bezeichnen. Bundes-Landwirtschafts-Minister Christian Schmidt gedenkt daher offenbar, die öffentliche Empörung aussitzen zu können.
"Durch den Genuß eines Glases Weins besteht keine akute Gefahr," erläutert Christiane Huxdorff, Umweltwissenschaftlerin und Expertin für Landwirtschaft bei Greenpeace. "Dafür sind die Werte zu gering." Allerdings sei dies nicht als Entwarnung zu verstehen. VerbraucherInnen würden durch die "Allgegenwärtigkeit" des Pestizids in der Lebensmittelproduktion täglich mehrere Portionen davon aufnehmen. Fündig wurden beispielsweise das Umweltinstitut München bei Bier und Ökotest bei einer ganzen Reihe von Getreide-Produkten.
Huxdorff kritisiert die offenkundige Abhängigkeit der industriellen Landwirtschaft von Pestiziden wie dem weitverbreiteten Glyphosat des US-amerikanischen Agro- und Chemie-Konzerns Monsanto. "Unerwünschte Pflanzen in der Plantage werden einfach totgespritzt. In der Tat ist das Prinzip Glyphosat recht praktisch: Es ist ein Totalherbizid. Landwirte besprühen ihre Äcker vor der Aussaat, um sicherzugehen, daß dort absolut nichts mehr gedeiht – außer der anschließend gesäten Kulturpflanze. So kommt es allein in Deutschland zu einem jährlichen Verkauf von 6000 Tonnen – Glyphosat ist weltweit der meistverwendete Wirkstoff," so Huxdorff.
Wind und Regen sorgen zudem dafür, daß die Chemikalie nicht nur auf den behandelten Flächen bleibt, sondern sich auch über angrenzende Felder ausbreitet. So werden Kräuter vernichtet, die auf dem Speiseplan von zahlreichen Insekten stehen. Eine Kettenreaktion: Wenn sich deren Bestände verringern, fehlt auch Vögeln die Nahrung (Siehe unseren Artikel v. 30.10.15). Daß Glyphosat sich negativ auf die Artenvielfalt auswirkt, ist nicht neu.
Neu hingegen ist die Einstufung des Mittels als wahrscheinlich krebserregend durch WissenschaftlerInnen der WHO im vergangenen Jahr. Davor galt das seit 1974 vermarktete Glyphosat als unbedenklich für die menschliche Gesundheit. "Alkohol gehört zwar auch zu den krebserregenden Substanzen," sagt Huxdorff. "Der Verbraucher kann sich aber entscheiden, ob er ein Glas Wein trinken möchte oder nicht. Bei Glyphosat, das eine Vielzahl konventioneller Lebensmittel belastet, kann er das nicht, weil er es nicht weiß." Eine sichere Alternative bieten lediglich Lebensmittel aus dem Bio-Laden.
Während das Bundesinstitut für Risikoforschung in Deutschland nach wie vor an der Unbedenklichkeit festhält, haben einige Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Hamburg den Einsatz auf öffentlichen Flächen verboten. Auch dem Handel wird das Mittel zunehmend suspekt. So haben bereits viele Baumärkte Glyphosat aus dem Sortiment genommen.
Nun "müsse" die EU entscheiden, hofft Greenpeace. Wie bei jedem anderen Pestizid auch, steht derzeit bei Glyphosat eine der regelmäßigen Erneuerungen der Zulassung an. Auch in Hinblick auf die "schwarz-rote" Bundesregierung ist derzeit offen, ob sie in Brüssel mit "Ja" oder "Nein" abstimmt - oder ob sie sich wieder einmal enthält, was in der Vergangenheit in aller Regel einer Zustimmung gleichkam.
Die EU-Kommission hat bereits bekundet, eine Zulassung ohne Einschränkung erteilen zu wollen. Das Europaparlament hat "Bedenken" geäußert. Wie aus den geleakten TTIP-Geheim-Dokumenten hervorgeht, ist der Druck von Seiten der US-Regierung enorm, in der EU die Rechte von VerbraucherInnen den Profit-Interessen unterzuordnen.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
TTIP-Leak
Greenpeace stellt TTIP-Dokumente online (1.05.16)
Glyphosat in vielen Lebensmitteln
Bundesregierung verharmlost Pestizid (27.02.16)
Pestizid in deutschen Bieren
Rein trotz Glyphosat? (25.02.16)
Deutschlands Meeresschutz am Ende?
Umwelt-Verbände kritisieren Bundesregierung scharf
(22.02.16)
Giftiges Trinkwasser in US-Stadt Flint
seit März 2014 (18.01.16)
Hendricks schützt Plastiktüten
nach Vorbild des Klima-Gipfels von Paris (21.12.15)
Thunfisch und Quecksilber
EU-Kommission will Grenzwert lockern (16.09.15)
Industrielle Landwirtschaft gefährdet Grundwasser
Strenge Düngeverordnung gefordert (24.10.14)
Industrielle Landwirtschaft tötet
Fischsterben in der Elbe (24.07.14)
Todeszonen der Ostsee weiten sich aus
Bundesregierung untätig (17.06.14)
Europas Flüsse stärker mit Chemie belastet
als bislang angenommen (16.06.14)
Wald-AIDS 2013
Zustand schlechter - nicht besser (10.03.14)
Nitrat-Belastung im deutschen Grundwasser
verschlechtert sich dramatisch (19.10.13)
Agrar-Subventionen
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VGH-Urteil: Natürliches Mineralwasser
darf Pestizide enthalten (2.08.13)
Phosphat-Dünger
Industrielle Landwirtschaft ohne Zukunft (7.05.13)
Dem deutschen Wald geht es schlechter
als in den 1980er-Jahren (4.02.13)
Pestizide vernichten Amphibien
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