Stuttgart (LiZ). Wie kaum anders zu erwarten hat die Bahn AG den von ihr in Eigenregie durchgeführten "Stress-Test" bestanden. Dies wurde nun auch vom Schweizer IngenieurInnenbüro SMA bestätigt. Die Schweizer PrüferInnen hätten bei einem anderen Ergebnis riskiert, einen ihrer wichtigsten Geschäftspartner zu verlieren. KritikerInnen hatten bereits im vergangenen Herbst darauf hingewiesen, daß bei dem als Trostpreis zum Ende der "Geißler-Schlichtung" vereinbarten "Stress-Test" weder Neutralität noch transparenten Kriterien verbindlich festgelegt wurden.
Da auch der pseudo-grüne baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann das vorhersehbare Ergebnis des "Stress-Testes" bereits im vergangenen Herbst kannte, mußte er erhebliche schauspielerische Qualitäten an den Tag legen, um mit brüchiger Stimme - so die Darstellung in den Mainstream-Medien - den "Erfolg" dieser PR-Maßnahme öffentlich zu kommentieren: Er akzeptiere das Prüf-Ergebnis der SMA, bleibe jedoch bei seiner Ablehnung von "Stuttgart 21". Wenn Kretschmann das Mega-Projekt jedoch tatsächlich ablehnen würde, hätte die baden-württembergische Landesregierung dieses längst stoppen können. Zuletzt bot hierfür beispielsweise die - auf mehr als das Doppelte gegenüber der im Planfeststellungsbeschluß PFA1.1 genehmigten Menge - erhöhte Grundwasserentnahme eine Handhabe. (Wir berichteten am 9. Juni.) Doch offenbar nimmt die neue Landesregierung lieber Rechtsbruch in Kauf als die Möglichkeit zu ergreifen, "Stuttgart 21" zu stoppen.
Angedrohten Vertragsstrafen im Falle eines vom Land verhängten Bau-Stops stehen in keinem Verhältnis zu den zu erwartenden Gesamtkosten des Projekts von über 10 Milliarden Euro. Darüber hinaus steht zu erwarten, daß das Projekt in wenigen Jahren wegen nicht zu bewältigender Probleme zum Erliegen kommt und in der Mitte der Landeshauptstadt eine gigantische Baugrube offen bleibt, für deren Beseitigung kein Geld mehr vorhanden ist.
Die baden-württembergische BUND-Vorsitzende Brigitte Dahlbender und der als Sprecher der "Stuttgart-21"-GegnerInnen firmierende Hannes Rockenbauch, die sich im vergangenen Herbst als StatistInnen bei der von Kretschmann angestoßenen Inszenierung einer Schlichtung hatten einspannen lassen, zierten sich noch ein wenig und erklärten, die für den 26. Juli (nach einer Terminverschiebung um 12 Tage) vorgesehene öffentliche Präsentation des "Stress-Test"-Ergebnisses boykottieren zu wollen. Die Präsentation soll mit ähnlich großem Medien-Aufwand wie bei der "Geißler-Schlichtung" aufgeführt werden. Unter anderem wird dieser "Live Act" mit Heiner Geißler etwa im TV-Sender Phoenix übertragen.
Dahlbender und Rockenbauch wurden von Bundeskanzlerin Angela Merkel höchstselbst wegen des angekündigten Boykotts der Präsentation kritisiert. Eine Schlichtung könne nur funktionieren, wenn sich möglichst viele an das Ergebnis hielten, sagte die Bundeskanzlerin mit einem kaum unterdrückten schelmischen Grinsen. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer ergänzte: "Ich bitte die Projektgegner, jetzt nicht den schlechten Verlierer zu geben."
Da immer noch ein gewisse Teil der Projekt-GegnerInnen Dahlbender und Rockenbauch als ihre RepräsentantInnen ansehen, kommt ihrem weiteren Auftreten in der Öffentlichkeit eine Schlüsselrolle bei dem Unterfangen zu, möglichst viele Menschen aus dem Widerstand gegen das Mega-Projekt herauszubrechen. In diesem Zusammenhang ist zu sehen, daß derzeit fast wöchentlich neue Umfrage-Ergebnisse publiziert werden, wonach der Anteil der Projekt-BefürworterInnen wachse.
Bereits Anfang Februar hatte sich herausgestellt, daß der "Stress-Test" in der Regie der Bahn AG durchgeführt werden soll. (Siehe unseren Bericht vom 8. Februar) In den Mainstream-Medien wurde hierüber weitestgehend Stillschweigen bewahrt. Kretschmann und sogenannte ExpertInnen aus seinem Umfeld versuchen nun dennoch, den "Stress-Test" mittels Detail-Kritik, die jedoch die intransparenten Grundlagen nicht in Frage stellt, aufzuwerten. Da die dabei vorgebrachten Argumente weitestgehend unverständlich sind, trägt dies dazu bei, in der Öffentlichkeit die Position der Projekt-GegnerInnen zu schwächen.
Viele Projekt-GegnerInnen sind mittlerweile völlig desorientiert und demotiviert. Einige hoffen noch auf den für Herbst angekündigten Volksentscheid, obwohl die Chancen, auf diesem Wege "Stuttgart 21" zu stoppen, äußerst gering sind - und dies in erster Linie nicht etwa wegen der gegenwärtig gestreuten Umfrage-Zahlen, sondern zum einen wegen des als Hürde aufgebauten hohen Quorums, zum anderen wegen der wackeligen Rechtskonstruktion, mit deren Hilfe der Volksentscheid auf den Weg gebracht werden soll. Selbst ein erfolgreicher Volksentscheid könnte nachträglich auf juristischem Weg ausgehebelt werden.
Die nach dem Vorbild von Wyhl erfolgversprechende Alternative einer Bauplatz-Besetzung wäre im vergangenen Herbst bei einer Teilnahme von über 100.000 Menschen an den Demonstrationen gegen "Stuttgart 21" noch möglich gewesen. Dies war kurz vor Beginn der "Geißler-Schlichtung". Bei der derzeitigen Beteiligung an den Demonstrationen erscheint diese Alternative nicht realistisch. Die TeilnehmerInnen-Zahlen steigen jedoch wieder, so daß sich bis zum Herbst das für eine solche Aktion nötige Potential aufbauen kann. Entscheidend für die weitere Entwicklung und die Chancen, das Mega-Projekt noch zu verhindern, wird der Einfluß der Pseudo-Grünen auf die Bewegung gegen "Stuttgart 21" sein. So lange große Teile weiterhin darauf hoffen, daß "Rettung von oben" naht, stehen die Chancen schlecht.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Spiegel über interne Bahn-Unterlagen:
Kosten von Stuttgart 21 geschönt (3.07.11)
"Volksversammlung" zu Stuttgart 21
auf dem Markplatz
Minister Hermann ausgepfiffen (23.06.11)
Stuttgart 21
BUND stellt Eilantrag auf Bau-Stop (18.06.11)
IngenieurInnen: Weiterbau an Stuttgart 21
ist rechtswidrig (9.06.11)
"Stuttgart 21": Die Show
des neuen Verkehrsministers Winfried Hermann
(12.05.11)
Bau-Stop selber machen
Aktions-Camp gegen "Stuttgart 21" (17.04.11)
Landtagswahl
Recycling in Baden-Württemberg (27.03.11)
Stuttgart 21
"Schlichterspruch" ad absurdum geführt
Stresstest einseitig aufgekündigt (8.02.11)
Parteitag der Pseudo-Grünen
Gorleben als Verhandlungsmasse (21.11.10)
Stuttgart 21 - Schlichtung
oder schlicht Volksverdummung? (1.12.10)
Stuttgart 21 - MONITOR bestätigt Verdacht gegen Mappus
Direktive kam von oben (22.11.10)
stern: Erneut Millionenschwindel bei Stuttgart 21
"Schlichtung ist Verdummung" (17.11.10)
Stuttgart 21: Lug und Trug
Landesbeteiligung verfassungswidrig
"Käfer und Kammmolche" (16.11.10)
Stuttgart 21 - Neue Bäume
im gerodeten Teil des Schloßgartens (31.10.10)
Die Polizei: Dein Freund ...
... und Steinewerfer (18.10.10)
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Verrat der Funktionäre (15.10.10)
110.000 demonstrieren gegen Stuttgart 21
Merkel warnt vor "Unregierbarkeit" (9.10.10)
100.000 demonstrieren gegen Stuttgart 21
"Mappus muß weg!" (2.10.10)
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Hunderte Verletzte im Stuttgarter Schloßgarten
(30.09.10)
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Stern enthüllt Chaos-Planung (29.09.10)
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30 Festnahmen nach Demo (25.09.10)
69.000 demonstrieren gegen Stuttgart 21
Bahn-Chef Grube schließt höhere Kosten
für das Mega-Projekt nicht mehr aus (11.09.10)
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