Niedersachsen
"Rot-Grün" bricht Wahlversprechen zu Gorleben
Hannover (LiZ). Wie unschwer vorherzusehen hat die neue niedersächsische Landesregierung unter Ministerpräsident Stephan Weil das Wahlversprechen gebrochen, sie werde sich für eine "Endlagersuche ohne Gorleben" einsetzen. Als "Kompromiß" wird nun angepriesen, daß keine weiteren CASTOR-Behälter mit hochradioaktivem Müll nach Gorleben transportiert werden sollen. Doch gerade dies wird die zukünftige Arbeit der Anti-AKW-Bewegung erschweren.
Bei der Landtagswahl in Niedersachsen im Januar 2013 hatten die Pseudo-Grünen den WählerInnen im Wendland versprochen, sich nicht auf eine Endlagersuche unter Einbeziehung Gorlebens einzulassen. Der Spitzen-Kandidat der "S"PD, Stephan Weil, hatte im Wahlkampf eine Endlagersuche, bei der der Salzstock Gorleben im Rennen bleibt, rigoros ausgeschlossen. Noch in den Koalitionsvertrag hatten "S"PD und Pseudo-Grüne den Satz geschrieben: "Gorleben ist ungeeignet und muß aufgegeben werden." Doch eine klare Verpflichtung, sich - wie versprochen - für eine "Endlagersuche ohne Gorleben" einzusetzen, war in diesem Papier schon nicht mehr zu finden (Siehe unseren Artikel vom 8.02.13).
Der neue Ministerpräsident Weil schien es bis vor kurzem sogar weit eher als der pseudo-grüne Koalitionspartner mit der Aussage Ernst zu meinen, er wolle den Salzstock in Gorleben von vornherein aus einer neuen Endlagersuche ausschließen. Doch der neue niedersächsische Umweltminister Stefan Wenzel hatte sich bereits zuvor der Linie von Altmaier, Gabriel und Trittin angepaßt. Bundes-Atom-Minister Peter Altmaier hatte in "vertraulichen" Gesprächen mit seinen Vorgängern Sigmal Gabriel ("S"PD) und Jürgen Trittin (Pseudo-Grüne) längst die Weichen gestellt und so wird Gorleben in die bald offiziell verkündete "Endlagersuche" einbezogen werden.
Euphemistisch heißt es nun in den Mainstream-Medien, mit dieser Entscheidung sei einem "urgrünen Anliegen" gedient: Denn nun könne die "Endlagersuche im gesamtgesellschaftlichen Konsens" organisiert werden. Beiseite geschoben wurden damit die Forderungen von Umwelt-Organisationen und Anti-AKW-Bewegung. Deren Position lautet unverändert: "Über das Atommüll-Dilemma kann nicht durch ein Festschreiben eines Endlagersuchgesetzes hinweggetäuscht werden. Die Ereignisse um das Atommüll-Lager ASSE II und die willkürliche Entscheidung eines »Endlagers« Gorleben sind nicht aufgearbeitet, die politisch Verantwortlichen wurden nicht zur Verantwortung gezogen. Die Stilllegung aller Atomanlagen ist zwingend notwendig vor der Suche nach Standorten für die Lagerung von Atommüll."
Bundes-Atom-Minister Altmaier hat sich mit der niedersächsischen Landesregierung auf drei Punkte geeinigt: Zuerst wird ein Endlagersuchgesetz einvernehmlich von "Schwarz-Rot-Gelb-Grün" im Bundestag verabschiedet. Zweitens darf als schmückendes Beiwerk eine aus den Reihen von Parteien, Verbänden und Gewerkschaften zu besetzende Enquetekommission bis 2015 Mindestanforderungen und Ausschlußkriterien für die Wahl eines Endlagers erarbeiten. Schon heute ist unschwer vorherzusehen, daß diese Kriterien genügend wachsweich formuliert werden, damit Gorleben am Ende als "Endlager" in Frage kommt. Und drittens wird der niedersächsischen Regierung als vermeintliches Entgegenkommen zugesichert, daß keine weiteren CASTOR-Behälter mit hochradioaktivem Müll nach Gorleben transportiert werden.
Letzteres zeugt von der politisch-taktischen Finesse Altmaiers. Denn Altmaiers Kalkül zielt dabei darauf ab, daß der Anti-AKW-Bewegung die Organisierung des Protests bei CASTOR-Transporten zu Zwischenlagern in verschiedenen Teilen Deutschlands erheblich schwerer fallen wird. Der Widerstand gegen die CASTOR-Transporte nach Gorleben hat Tradition und motivierte selbst im kalten und windigen November immer Zehntausende, zu Blockaden ins Wendland zu kommen.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kritisiert den vermeintlichen Kompromiß als "unausgegoren" und "wenig hilfreich". Solange der Salzstock in Gorleben nicht endgültig von der Endlagersuche ausgeschlossen werde, sei nichts gewonnen, erklärte BUND-Vorsitzender Hubert Weiger. Gorleben müsse "endlich als erwiesenermaßen geologisch ungeeigneter und politisch verbrannter Standort von der Endlagersuche ausgenommen" werden. Mit der Einbeziehung des Standorts Gorleben werde der notwendige breite gesellschaftliche Diskurs von vornherein belastet.
Ob das "Linsengericht", für das sich "Rot-Grün" zu dem Deal mit Altmaier verlocken ließ, am Ende tatsächlich serviert wird, ist im übrigen recht fraglich. Denn die Gesellschaft für Nuclearservice (GNS), die seit Jahren ins Geschäft mit Atommüll-Transporten involviert ist, vertritt den Standpunkt, daß bislang nur das oberirdische Zwischenlager bei Gorleben eine Genehmigung für die Lagerung der aus den Plutonium-Fabriken La Hague und Selleafield in den kommenden Jahren zum Transport nach Deutschland vorgesehenen Glaskokillen besitzt. In den zwölf Zwischenlagern an den AKW-Standorten hingegen dürften nur abgebrannte Brennelemente aus den jeweiligen Reaktoren gelagert werden. Hinzu kommt ein politischer Grund, der alsbald ins Gewicht fallen könnte. Mit CASTOR-Transporten zu den deutschen AKW-Standorten könnte die dortige Bevölkerung aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt werden - und der Verdacht könnte aufkeimen, daß diese "Zwischenlager" schleichend zu Endlagerstandorten mutieren.
Im Februar hatte Greenpeace noch das Versprechen von "Rot-Grün" bejubelt: "Eine wichtige Hürde in Richtung bundesweiter offener Endlagersuche ist genommen: SPD und Grüne haben sich in Niedersachsen darauf geeinigt, daß Gorleben als Standort aus der Endlagersuche für hochradioaktive Abfälle ausgeschlossen werden soll."
Ausnahmsweise kann einmal der Aussage eines "gelben" Politikers kaum widersprochen werden: Stefan Birkner bezeichnete den Kurswechsel von "Rot-Grün" als "unverhohlene Wähler- täuschung". Zugleich begrüßte er das Ergebnis.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
"Rot-Grün" in Niedersachsen
Ist das "Nein" zu Gorleben glaubwürdig? (8.02.13)
Niedersachsen bleibt schwarz
Kein Lichtblick für Gorleben (20.01.13)
"Schwarz-Gelb" schafft Grundlage für Atommüll-Export
AtomkraftgegnerInnen kritisieren Dammbruch (4.01.13)
Bundes-Atom-Minister Altmaier sagt:
"Ich stoppe Gorleben!" (30.11.12)
Bau-Stop in Gorleben
Bürgerinitiative feiert Sensation (13.11.12)
Greenpeace: Gorleben als Endlager
genügt nicht einmal behördlichen Sicherheitsstandards
(26.09.12)
Im Salz unter Gorleben
wird illegal weitergebaut (20.08.12)
BI Lüchow Dannenberg warnt
vor neuem Endlagersuchgesetz (29.07.12)
Transparente Schweizer Endlager-Suche?
Illusion um Benken geplatzt (2.07.12)
Endlagersuche in der Schweiz
20 "Standortareale" - ein Ziel: Benken (19.01.12)
Gorleben: Atomarer Irrweg wird fortgesetzt
Weitere CASTOR-Transporte angekündigt (7.06.12)
"Versuchs-Endlager" Asse II
Rückholung des Atommülls weiter verzögert
BfS bereitet stattdessen Flutung vor (31.05.12)
BUND fordert Transparenz bei Endlagersuche
Transparenz bei einer Farce? (22.02.12)
Endlagersuche in der Schweiz
20 "Standortareale" - ein Ziel: Benken (19.01.12)
Röttgen verplappert sich:
Illegaler Bau im Gorlebener Salzstock (2.01.12)
Geologe warnt
vor geplantem "Endlager" Gorleben (13.12.11)
Bergung des Atom-Mülls aus Asse II
weiter verzögert
Bundes-"Umwelt"-Ministeriumn betreibt Obstruktion
(8.12.11)
Strahlen-Skandal Gorleben
Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages
widerspricht Landesregierung (20.11.11)
Genehmigung für CASTOR-Transport
trotz Strahlen-Skandal (31.10.11)
Strahlen-Skandal in Gorleben
Grenzwert am Zaun bereits seit 2003 überschritten
(30.09.11)
Radioaktiver Müll in Gorleben
hohe Strahlenbelastung am Zaun (25.08.11)
Atommüll-Endlager in Deutschland?
EU macht Druck (20.07.11)
Atommüll-Endlager in der Schweiz?
Unmögliches soll realistisch erscheinen (12.07.11)
13. CASTOR nach Gorleben
angekündigt (3.06.11)
Atom-Ausstieg in der Schweiz?
Regierung versucht Volksverdummung (26.05.11)
Gorlebener Salzstock vielfach angebohrt
Der Berg schlägt zurück (15.04.11)
Stark erhöhte Radioaktivität
im "Versuchs-Endlager" Asse II (14.04.11)
Drei Monate Denkpause
auch für Gorleben? (30.03.11)
"Versuchs-Endlager" Asse II
Wasserzutritt verdoppelt (15.12.10)
Erhöhte Krebs-Rate
um das "Versuchs-Endlager" Asse II (25.11.10)
Parteitag der Pseudo-Grünen
Gorleben als Verhandlungsmasse (21.11.10)
Neue wissenschaftliche Studie:
AKW und tote weibliche Embryos (19.11.10)
Akten über Explosion im Jahr 1969
Erdgas unter Gorleben (13.09.10)
Weiterer Erfolg des Gorleben-Widerstands:
Verwaltungsgericht Lüneburg stoppt Datensammlung
(4.09.10)
CASTOR-GegnerInnen siegen
vor Bundesverfassungsgericht (26.08.10)
Der Endlager-Schwindel
Greenpeace veröffentlicht Akten zu Gorleben (13.04.10)
In Asse II wird probegebohrt
Weitere Zeitverzögerung vor der Rückholung (27.03.10)
Einsturzgefahr im "Versuchs-Endlager" Asse II
Atommüll wird rückgeholt (15.01.10)
Endlager-Standort Gorleben
Bei der Auswahl spielte Geologie kaum eine Rolle
(10.01.10)
"Versuchs-Endlager" Asse II:
Mit Spezialbeton Hohlräume verfüllt (8.12.09)
"Versuchs-Endlager" Asse II:
Decke eingestürzt (9.10.09)
"Versuchs-Endlager" Asse II:
Rückholung des Atommülls laut Bundesamt möglich
(2.10.09)
Verstärkter Laugeneinbruch
im "Versuchs-Endlager" Asse II (18.09.09)
Skandal-Serie Asse II: Noch mehr Plutonium
im "Versuchs-Endlager" (29.08.09)
Skandal-Serie Asse II:
Hochradioaktiver Müll im "Versuchs-Endlager"?
MONITOR veröffentlicht Siemens-Unterlagen (24.07.09)
Skandal-Serie Asse II:
Erneuter Fund radioaktiver Lauge (15.07.09)
Skandal-Serie Asse II:
Nun auch noch Sprengstoff (26.06.09)
Desinformation in der 'Badischen Zeitung'
Die Schweizer Endlager-Suche (18.06.09)
Asse II: Strom-Konzerne drückten
die Sicherheits-Standards (3.06.09)
Asse II: Mehr radioaktiver Müll als vermutet
Greenpeace findet Hinweise auf zu niedrige Angaben
in den Inventar-Listen (7.05.09)
Asse II: Einsturzgefahr in Kammer 7 akut
(29.04.09)
Asse II diente auch der Bundeswehr als Atomklo
Endlager-Skandal nimmt immer neue Dimensionen an
(24.04.09)
Asse II: Auch Fässer mit Pestiziden,
Arsen und Blei im "Versuchs-Endlager" Asse II (15.04.09)
Versuchslager Asse II
Wer hat den radioaktiven Müll produziert? (23.02.09)
Lauge aus Atommüll-Lager Asse erneut nach 'Mariaglück'
Dringend nötige Rückholung weiter verzögert (7.02.09)
Einsturzgefahr im Atommüll-Lager Asse
Seit Dezember nicht veröffentlicht (15.01.09)
Demo gegen Schweizer
Atom-Endlager in Benken (20.09.08)
Asse II: Der Wechsel zum BfS ist nur Pop
Rückholung des radioaktiven Mülls bislang nicht geplant
(5.09.08)
Gefahr durch atomares Versuchslager Asse II
nicht länger geleugnet
Atom-Minister Gabriel: "Zustände in Asse sind unhaltbar"
Wird das Bergwerk geräumt? (2.09.08)
Verdacht auf hochradioaktiven Müll
im Versuchslager Asse II
"Brennstäbe in Blechdosen" (29.07.08)
Skandal-Grube Asse II
Eindringendes Wasser radioaktiv kontaminiert (12.06.08)
Endlager-Pläne in Ton zerbröseln
Konsequenzen für Benken (Schweiz)
und Bure (Frankreich) (4.01.08)