Stuttgart (LiZ). RichterInnen und AnwältInnen des Arbeitskreises 'Juristen zu Stuttgart 21' haben bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen die Bahn AG gestellt. Es geht um "besonders schweren Betrug." Die JuristInnen argumentieren, Bahn- Chef Rüdiger Grube habe dem Land Baden-Württemberg und der Stadt Stuttgart Informationen über die ausufernde Kosten des Mega-Projekts vorenthalten.
Die JuristInnen berufen sich unter anderem auf einen Beitrag des TV-Magazins 'Report', das Informationen vorlegte, die beweisen, daß die Bahn AG vor der Unterzeichnung einer entscheidenden "gemeinsamen Finanzierungsvereinbarung" über absehbare Mehrausgaben von fast einer Milliarde Euro Bescheid wußte. Doch obwohl der pseudo-grüne baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann nach außen hin die Bahn AG eindringlich ermahnt, die Finanzierung von 'Stuttgart 21' offenzulegen, die nach unabhängigen Schätzungen statt der veranschlagten maximal 4,5 Milliarden weit über zehn Milliarden Euro verschlingen dürfte, wird Kretschmann im Zweifelsfall der Bahn zur Seite springen und bestätigen, daß die korrekten Zahlen vorgelegt worden seien.
'Report' hatte am Dienstag interne Dokumente der Bahn AG präsentiert, aus denen hervorgeht, daß nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch die Projekt-Partner bewußt über die wahren Kosten von 'Stuttgart 21' getäuscht wurden. Vor Vertragsabschluß am 2. April 2009 haben beteiligte Fachplaner demnach minutiös die längst absehbar höheren Kosten aufgeschlüsselt. Diese Informationen wurden allerdings unter Verschluß gehalten. Mit diesen Informationen rückte die Bahn AG erst im Dezember 2009 heraus. Neun Monate zuvor hatte sie den Kostenrahmen noch auf drei Milliarden Euro veranschlagt. Erst im Dezember 2009 räumte sie ein, daß sich der Kostenrahmen um eine Milliarde Euro erweitert werden müsse.
Nun liegt aber auch ein interner Vermerk des baden-württembergischen Innenministeriums vor. Daraus ist ersichtlich, daß für die Bahn AG bereits 2008 "dramatische Kostensteigerungen" erkennbar waren und somit die Angaben zu Baupreisen und Risiken "falsch waren". Die Bahn AG bestreitet die in dieser Darstellung aufgeführten Zahlen nicht, behauptet aber, die Unterlagen hätten bei Vertragsabschluß nur vorläufig und nicht vollständig vorgelegen. Der Arbeitskreises 'Juristen zu Stuttgart 21' hält dies für eine Schutzbehauptung. Die in den Dokumenten aufgeführten Angaben seien derart "exakt und detailgenau", daß sie in die "gemeinsame Finanzierungsvereinbarung" vom April 2009 hätten einfließen müssen.
Nach Berechnungen des Arbeitskreises 'Juristen zu Stuttgart 21' wird die bis heute proklamierte Obergrenze von 4,5 Milliarden Euro "mit Sicherheit nicht ausreichen." Gründe hierfür sind noch nicht vollständig genehmigter Planfeststellungsabschnitte, auch Zusatzkosten infolge von "Schlichtung" und "Stress-Test", erhebliche Nachtragsrisiken und erforderliche Nachbesserungen aufgrund der üblichen Kostenexplosionen. Sie kommen daher zu dem Ergebnis: "Das muß zum Scheitern von Stuttgart 21 führen."
In den vergangenen Tagen haben der Verkehrs- und der Ständige Ausschuß des Landtags den Regierungsentwurf für ein 'Stuttgart-21'-Kündigungsgesetz erwartungsgemäß durchfallen lassen, um so den Weg für einen Volksentscheid über 'Stuttgart 21' frei zu machen. Entscheidend wird aber vermutlich sein, daß das undemokratische Quorum nicht erreicht werden kann. Laut baden-württembergischer Verfassung müßte mindestens ein Drittel der Wahlberechtigten gegen das Projekt stimmen, um es zum Scheitern zu bringen. Dies würde eine hohe Wahlbeteiligung bei der Volksabstimmung voraussetzen.
Doch auch mit Blick auf dieses voraussichtliche Scheitern baute Kretschmann bereits vor: So sagte er im März gegenüber der 'taz': "Der Gedanke erfüllt mich mit Grausen, daß wir ein Projekt selber realisieren müssen, von dessen Unsinnigkeit wir seit 15 Jahren überzeugt sind. Aber auch das gehört im Zweifel zur direkten Demokratie dazu."
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Stuttgart 21:
"Stress-Test" bestanden (21.07.11)
Spiegel über interne Bahn-Unterlagen:
Kosten von Stuttgart 21 geschönt (3.07.11)
"Volksversammlung" zu Stuttgart 21
auf dem Markplatz
Minister Hermann ausgepfiffen (23.06.11)
Stuttgart 21
BUND stellt Eilantrag auf Bau-Stop (18.06.11)
IngenieurInnen: Weiterbau an Stuttgart 21
ist rechtswidrig (9.06.11)
"Stuttgart 21": Die Show
des neuen Verkehrsministers Winfried Hermann
(12.05.11)
Bau-Stop selber machen
Aktions-Camp gegen "Stuttgart 21" (17.04.11)
Landtagswahl
Recycling in Baden-Württemberg (27.03.11)
Stuttgart 21
"Schlichterspruch" ad absurdum geführt
Stresstest einseitig aufgekündigt (8.02.11)
Stuttgart 21 - Schlichtung
oder schlicht Volksverdummung? (1.12.10)
Stuttgart 21 - MONITOR bestätigt Verdacht gegen Mappus
Direktive kam von oben (22.11.10)
stern: Erneut Millionenschwindel bei Stuttgart 21
"Schlichtung ist Verdummung" (17.11.10)
Stuttgart 21: Lug und Trug
Landesbeteiligung verfassungswidrig
"Käfer und Kammmolche" (16.11.10)
Stuttgart 21 - Neue Bäume
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Die Polizei: Dein Freund ...
... und Steinewerfer (18.10.10)
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100.000 demonstrieren gegen Stuttgart 21
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Stern enthüllt Chaos-Planung (29.09.10)
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Bahn-Chef Grube schließt höhere Kosten
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