Atom-Müll bleibt ungesichert in Jülich
"Rot-Grün" mitverantwortlich
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Berlin (LiZ). Quasi in letzter Minute hat am Freitag die "schwarz-rot-gelb-grüne" Blockflöten-Koalition im Bundestag einen Passus in das sogenannte Endlager-Such-Gesetz eingebaut, wodurch der Export von Atom-Müll aus Forschungszentren erlaubt wird. Damit ist theoretisch der Weg frei, 152 CASTOR-Behälter, die sich derzeit illegal in einem risikobehafteten Zwischenlager in Jülich befinden, in die USA zu verschieben.
Doch vorerst bleiben die 152 CASTOR-Behälter in einem Zwischenlager, das gegen einen Flugzeugabsturz oder einen Terror-Angriff mit panzerbrechenden Waffen nicht ausreichend geschützt ist. In den vergangenen drei Jahren war in NRW darüber diskutiert worden, in Jülich ein neues Zwischenlager zu bauen, so daß Sicherheitsanforderungen wenigstens halbwegs hätten erfüllt werden können. Der Bau hätte mindestens 40 Millionen Euro gekostet. Dies wurde aber offenbar nicht ernsthaft verfolgt und stattdessen setzten die "Verantwortlichen" auf zwei Alternativen: Zum einen wurde versucht, den Atom-Müll ins Zwischenlager Ahaus zu verschieben - vergeblich, wegen massiver Proteste der Bevölkerung. Zum anderen hoffen die "Verantwortlichen", eine Zustimmung aus den USA zu erhalten, den Atom-Müll dorthin zu transportieren. Doch auch in den USA gibt es kein Endlager und die Lagerung des für Millionen Jahre hochradioaktiven Mülls ist weltweit nach wie vor ungelöst. Die Bürgerinitiativen vor Ort legen seit Jahren den Finger in die offene Wunde und erinnern daran, daß in Jülich Atom-Müll produziert wurde, ohne zu wissen, wo dieser dereinst sicher gelagert werden könnte. Auch sei es ethisch verwerflich, den Atom-Müll "Menschen in anderen Ländern vor die Tür zu kippen", weil die sogenannten Verantwortlichen keinen Ausweg wissen.
Über 290.000 kugelförmige Brennelemente sind das Erbe des Forschungs-Reaktors Jülich (AVR), der zur Entwicklung des gasmoderierten Hochtemperatur-Reaktors (THTR Hamm-Uentrop) dienen sollte. Der AVR wurde mit kugelförmigen Brennelementen betrieben. Die tennisball-großen Kugeln bestehen aus Graphit-Keramik, in deren Innerem sich der Kernbrennstoff in etwa 20.000 kleinen Kügelchen befindet. Diese Partikel bestehen unter anderem aus Uran und Thorium. Die abgebrannten Kugeln sind daher hoch radioaktiv und für den Menschen gefährlich.
Im Forschungs-Reaktor Jülich war es am 13. Mai 1978 zu einer Beinahe-Katastrophe gekommen, weil infolge eines längere Zeit unbemerkten Lecks im Überhitzerteil des Dampferzeugers 27,5 Tonnen Wasser in den Helium-Primärkreislauf und damit in den Reaktorkern gelangten. Nach 21 Betriebsjahren wurde der Reaktor am 31. Dezember 1988 abgeschaltet. Nachdem im Jahr 1989 der THTR Hamm-Uentrop wegen ausufernder Entwicklungskosten nach nur 14 Monaten von Problemen begleitetem Volllastbetrieb stillgelegt wurde, maß auch die deutsche Atom-Lobby dieser Reaktor-Linie keine Zukunfts-Chance mehr bei.
Auch der angekündigte "vollständige Rückbau" des Hochtemperaturreaktor auf dem Gelände des Forschungszentrums Jülich bereitet immer mehr Schwierigkeiten. Seit mittlerweile 25 Jahren wird versucht, ein Problem zu lösen, an das vor dem Bau des AVR offenbar kein Gedanke verschwendet worden war. Im Jahr 2010 hatte die damalige "schwarz-rote" Bundesregierung erklärt, der 2000 Tonnen schwere und 26 Meter hohe AVR-Reaktorbehälter solle 2011 herausgehoben und in ein eigens dafür gebautes Zwischenlager auf dem Gelände des Forschungszentrums transportiert werden. Zuletzt war vorgesehen, den radioaktiv verstrahlten Reaktorbehälter im Jahr 2013 aus der stillgelegten Anlage herauszuziehen. Doch nun räumt das Bundesforschungsministerium massive Probleme ein. Die Dokumentation der Anlage aus den 1960er-Jahren gebe die Betonstrukturen nicht "zutreffend wieder". Dies betreffe insbesondere die "Kontaminationen einzelner Bauteile" in den Hohlräumen von Betonstrukturen. Da eine "Gefährdung der eigenen Abbaumannschaft so weit wie möglich" ausgeschlossen werden müsse, komme es zu einem erhöhten Demontageaufwand. Nun soll der Reaktorbehälter erst in der zweiten Hälfte 2014 geborgen werden.
Zu den bisher aufgelaufenen Kosten von weit über 600 Millionen Euro kommen jeden Monat, den sich der Rückbau verzögert, weitere 1,3 Millionen Euro hinzu. Dabei handelt es sich vor allem um Personalkosten für das 120-köpfige Abbruch-Team. Mittlerweile wachsen die Zweifel, ob die genannten Gründe für die Verzögerungen zutreffen und nicht vielleicht vorgeschoben werden. Fragen wurden laut, ob etwa das Rückbaukonzept als gescheitert angesehen werden muß.
Über zwei Jahrzehnte hin war also auch bekannt, daß es für die über 290.000 hochradioaktiven Brennelemente-Kugeln in 152 CASTOR-Behältern keine adäquate Lagermöglichkeit gibt und daß die Genehmigung für das völlig unzureichende Zwischenlager auf dem Gelände des heutigen Forschungszentrums (FZ) am 30. Juni 2013 ablaufen wird. Ab heute ist die Lagerung in der Halle in Jülich illegal, auch wenn die "rot-grüne" NRW-Landesregierung unter Hannelore Kraft einen juristischen Trick fand, den Zustand mit Hilfe einer ministeriellen Anordnung zu verlängern. Am Freitag, 28. Juni, griff das NRW-Wirtschaftsministerium in seiner Funktion als atomrechtliche Aufsichtsbehörde auf § 19 des Atomgesetzes zurück. Das "verantwortliche" Ministerium ließ am selben Tag verlautbaren, es handele sich um eine "Übergangslösung" und nicht etwa um eine "Notfallregelung" - wie in der lokalen Presse zu lesen war. In der Bevölkerung solle nicht der Eindruck entstehen, es gebe im Zusammenhang mit dem atomaren Müll einen bedrohlichen Notfall, sagte Ministeriumssprecher Matthias Kietzmann. Es gehe nur um eine etwas andere rechtliche Grundlage. Ansonsten bleibe alles wie bisher. Die Lagerung von hochradioaktivem Atommüll ohne gültige Genehmigung und allein auf der Grundlage einer ministeriellen Anordnung ist ein in Deutschland bislang einmaliger Vorgang.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
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