Gericht verwirft Genehmigung
für Zwischenlager am AKW Brunsbüttel
Endlager-Such-Gesetz obsolet
Stop aller 9 Atom-Reaktoren in Deutschland?
Kiel (LiZ). Das Oberverwaltungsgericht Schleswig hat in einem bereits seit 2004 anhängigen Verfahren heute entschieden, daß das Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente an dem seit 2007 abgeschalteten AKW Brunsbüttel keine gültige Genehmigung besitzt. Die vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) im Jahr 2003 ausgesprochene Genehmigung kranke daran, daß die Leichtbauhalle nicht dem Absturz etwa eines Airbus A380 standhalten kann.
Ein Anwohner hatten wegen der Unzulänglichkeiten und den damit verbundenen Risiken bereits im Jahr 2004 gegen das Zwischenlager am AKW Brunsbüttel geklagt. Nun hat er vor dem OVG Schleswig recht bekommen (AZ.: 4 KS 3/08) – doch der Instanzenweg ist noch nicht zu Ende. Das OVG stellte fest, daß das BfS es unterließ, vor der Genehmigungserteilung die Folgen eines Absturzes eines Airbus A380 auf das Zwischenlager zu ermitteln, obwohl die erforderlichen Daten vorgelegen hätten. Auch habe das BfS bei der Untersuchung der Folgen eines Angriffs mit panzerbrechenden Waffen nur einen älteren Waffentyp aus dem Jahr 1992 berücksichtigt. Dabei haben neuere Waffen, die von einer Person allein getragen und abgefeuert werden können, eine durchaus relevante Zerstörungswirkung.
Und sehr viel hängt an diesem Urteil – nicht nur ob das Zwischenlager als sicher deklariert werden kann oder nicht. Das erst in diesen Wochen von "Schwarz-Rot-Gelb-Grün" auf den Weg gebrachte Endlager-Such-Gesetz steht und fällt damit. Denn die Zustimmung der niedersächsischen Landesregierung konnte nur mit der Zusage erkauft werden, daß bis zur Entscheidung über einen nationalen Endlager-Standort kein weiterer Atommüll nach Gorleben transportiert wird. Und Niedersachsen könnte im Bundesrat eine Verabschiedung des Gesetzes blockieren. Als Alternative zum oberirdischen Lager in Gorleben wurde das AKW Brunsbüttel im Kreis Dithmarschen in Schleswig-Holstein als einer von drei Standorten vorgesehen, die 26 CASTOR-Behälter mit Atommüll aus den Plutonium-Fabriken La Hague und Sellafield in den kommenden Jahren aufnehmen sollen.
Eine noch größere Dimension erhält das OVG-Urteil dadurch, daß im deutschen Atomgesetz die Betriebsgenehmigung von Atomkraftwerken an den sogenannten Entsorgungs-Vorsorge-Nachweis geknüpft ist. Und dieser Nachweis wurde bislang – mehr virtuell als real – von den Gerichten als erfüllt anerkannt, weil die Zwischenlager eine Genehmigung vorweisen konnten. Nun hängt aber alles in der Luft: Mit dem Endlager-Such-Gesetz ist – zumindest vordergründig – die Entscheidung für Gorleben als Endlagerstandort suspendiert und zugleich sind mit dem OVG-Urteil die Genehmigungen sämtlicher deutscher Zwischenlager in Frage gestellt. Keines der vorhandenen Zwischenlager erfüllt auch nur annähernd das Kriterium, dem Absturz eines größeren Verkehrsflugzeugs standhalten zu können. Selbst ein Experte des BfS hatte vor dem OVG einräumen müssen, daß Katastrophenszenarien nicht für alle konkreten Zwischenlager, sondern nur für Gebäudetypen durchgerechnet wurden. Und Tatsache ist, daß die Zwischenlager an den AKW-Standorten Biblis, Grafenrheinfeld, Gundremmingen, Isar und Philippsburg erheblich dünnere Betonwände aufweisen als das am AKW Brunsbüttel.
Der seit 2012 amtierende "rote" Ministerpräsident Schleswig-Holsteins, Torsten Albig, hat schon einmal nonchalant erklärt, daß er sich um das Urteil des OVG nicht schert. Wie kaum anders zu erwarten, sind ihm die Interessen der "Großen Vier", der Strom-Konzerne und AKW-Betreiber E.on, RWE, Vattenfall und EnBW wichtiger als die Sicherheit seiner "Landeskinder". Offenbar fand er es sehr witzig zu erklären: "Wo soll der Müll denn hin, wir können ihn doch nicht auf die Straße stellen." Trotz des OVG-Urteils bleibe die schleswig-holsteinische Landesregierung dabei, daß die vorhandenen Behälter mit Atommüll weiter im Zwischenlager des stillgelegten AKW Brunsbüttel verbleiben und auch neuer Atommüll eingelagert werden darf. Albig beruft sich darauf, es gebe derzeit keine Alternative. Diese spezielle Form von Denkverweigerung geht auf die frühere britische Premierministerin Margaret Thatcher zurück und wird als TINA-Prinzip bezeichnet ("There is no alternative").
Laut Mathias Edler, Atomexperte von Greenpeace, ist das Zwischenlager in Brunsbüttel vergleichbar mit fast allen Zwischenlagern in Deutschland. Mit dem Verlust der Betriebsgenehmigung sei die Lagerung dort illegal und keiner wisse wohin mit dem Atommüll.
"Der Entsorgungsnachweis für die laufenden Atomkraftwerke ist faktisch futsch", kommentiert Wolfgang Ehmke, Sprecher der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. "Die Konsequenz kann nur sein, daß die Atomkraftwerke endlich stillgelegt werden, statt weiter Müll zu produzieren und das Atommülldilemma täglich zu forcieren."
Anmerkungen
Siehe auch unseren Artikel:
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