4.01.2016

Quecksilber aus deutschen Kohle-Kraftwerken:
7 Tonnen pro Jahr

Braunkohle-Kraftwerk Boxberg - Foto: Adriana Ascoli - Creative-Commons-Lizenz 'Namensnennung Nicht-Kommerziell 3.0'
Hamburg (LiZ). Rund sieben Tonnen des giftigen Schwermetalls Quecksilber verteilen deutsche Kohle-Kraftwerke feinverteilt über Europa. Dies geht aus geht aus einem Gutachten des Hamburger Instituts für Ökologie und Politik hervor.

Bei Säuglingen und Kleinkindern kann Quecksilber Gehirnschäden verur­sachen - bei Erwachsene Krebs und Nervenleiden. Von der deutschen Industrie stammen insgesamt rund zehn Tonnen Quecksilber-Emissionen pro Jahr. Auf diesem Level können europaweit nur die dreckigen polnischen und griechischen Kohle-Kraftwerke mithalten. Schon Mitte 2014 war bekannt, daß etwa das deutsche Braunkohle-Kraftwerk Neurath beim nordrhein-westfälischen Grevenbroich neben klimaschädlichen Kohlendioxid-Emissionen von über 33 Millionen Tonnen pro Jahr zusätzlich über 500 Kilogramm giftiges Quecksilber und Quecksilberverbindungen in die Umwelt bläst (Siehe unseren Artikel v. 22.07.14). Ein von Greenpeace in Auftrag gegebenes Gutachten kam 2013 zu dem Ergebnis, daß deutsche Kohle-Kraftwerke jährlich rund 3.100 vorzeitige Todesfälle in Europa verursachen (Siehe unseren Artikel v. 3.04.13).

Kohle wird in Deutschland mit jährlich rund 13 Milliarden Euro ähnlich hoch wie Atomenergie (9 Milliarden Euro pro Jahr) subventioniert. Mit rund 430 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr stammt mehr als die Hälfte der deutschen Kohlendioxid-Emissionen aus den fossilen Kraftwerken der Energiewirtschaft. Da die Quecksilber-Emissionen eng mit den Kohlendioxid-Emissionen korrelieren, ergibt schon eine einfache Dreisatz-Rechnung auf der Basis der Emissionen des Kraftwerks Neurath, daß die energiebedingten Quecksilber-Emissionen Deutschlands insgesamt bei rund sieben Tonnen pro Jahr liegen müssen. Und weil das flüchtige Quecksilber aus den Schloten der Kohle-Kraftwerke oft zwölf Monate lang in der Atmosphäre verbleibt, verteilt es sich weiträumig.

Und ebenfalls schon lange bekannt ist, daß die Umwelt-Standards bei den Quecksilber-Emissionen "zufällig" - also: politisch statt naturwissenschaftlich festgelegt vor dem Hintergrund der Faktoren Profit und Kohle-Qualität - in den USA höher als in Deutschland sind. Jenseits des Atlantik gilt für Braunkohle-Kraftwerke ein Grenzwert von 0,004 mg/Nm³ im Monatsmittel. Würde dieser Grenzwert in Deutschland eingeführt, dürfte keines der über 50 Kohle-Kraftwerke am Netz bleiben. Die deutsche Atom- und "Umwelt"-Ministerin Barbara Hendricks versucht sich bislang damit herauszureden, daß schärfere Grenzwerte in der EU noch nicht hätten durchgesetzt werden können.

Dabei gibt es ein in Deutschland entwickeltes Verfahren, mit dem die Emission von Quecksilber aus Kohle-Kraftwerke drastisch gesenkt werden kann. Schon im Jahr 2000 präsentierte Bernhard W. Vosteen, zu dieser Zeit Ingenieur bei Currenta, einem Tochterunternehmen von Bayer und Lanxess, dieses Verfahren. Vosteen gründete ein eigenes Beratungs-Unternehmen, um die Technik weltweit zu vermarkten. In den USA hatte er Erfolg.

Beim Vosteen-Verfahren wird die Kohle vor dem Einblasen in die Kessel mit einer Bromlösung besprüht. Bei der Verbrennung der Kohle verbindet sich das Quecksilber zu Quecksilberbromid, so daß das giftige Metall dann zu mehr als 99 Prozent herausgefiltert werden kann. Dieses Verfahren könnte auch bei der Klärschlamm- und Müll-Verbrennung eingesetzt werden und ebenso in Holzkraftwerken, die ebenfalls Quecksilber emittieren. In Deutschland wird das Vosteen-Verfahren immerhin in zwei Sondermüll-Verbrennungsanlagen in Dormagen und Krefeld und in zwei Klärschlamm-Verbrennungsanlagen in Bottrop und Karlsruhe eingesetzt. Die Abscheide-Rate beträgt 99,99 Prozent. Die Kosten für die Unternehmen liegen nach Aussagen der Forscherin Barbara Zeschmar-Lahl je nach Kraftwerksgröße und gewählter Technologie im niedrigen einstelligen Millionen-Euro-Bereich. Bislang aber sehen sich die Energie-Versorger RWE, E.on, Vattenfall und EnBW keinem politischen Druck ausgesetzt, ihre Kraftwerke nachzurüsten. Profit zählt mehr als Menschenleben und Gesundheit.

Zweckmäßiger als Filtertechnik wäre - nicht zuletzt im Sinne des Klimaschutzes - ein sofortiger Ausstieg aus der Kohleverstromung. Deutschland könnte schon längst zu 100 Prozent mit Strom aus erneuerbaren Energien versorgt werden - den politischen Willen vorausgesetzt. Eine im Jahr 2008 veröffentlichte Untersuchung konnte beweisen, daß eine Umstellung auf 100 Prozent Erneuerbare technisch innerhalb von 8 Jahren zu realisieren ist (Siehe unseren Artikel v. 15.03.08). Diese basierte auf einem Ausbau-Stand der Erneuerbaren, die 2008 einen Anteil von 15 Prozent an der Stromproduktion erreicht hatten. Beim Ausbau-Stand von mittlerweile 33 Prozent (2015) schrumpft die technisch nötige Umstellungs-Phase von 8 auf weniger als 6 Jahre.

Nebenbei: Auch wenn sich manche Partei-PolitikerInnen heute wieder als "grün" zu profilieren versuchen, steht anhand der Zahlen fest: Der Ausbau der Erneuerbaren wurde in der "rot-grünen" Ära zwischen 1998 und 2005 unter Kanzler Gerhard Schröder ebenso gebremst wie in den Jahren danach unter Kanzlerin Angela Merkel.

 

LINKSZEITUNG

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Allianz kappt Kohle-Finanzierung
      aus Profit-Gründen (24.11.15)

      Daumen runter für RWE
      Rote Zahlen und Desaster in GB (12.11.15)

      Greenpeace-Studie zu Kosten der Braunkohle:
      15 Milliarden Euro pro Jahr (11.11.15)

      E.on mit roten Zahlen
      Was wird aus Rückstellungen? (10.11.15)

      Gabriel spendiert
      zusätzliche Subventionen (4.11.15)

      Witz der Woche / Karikatur von Samy
      Gabriel, der Moses auf dem Scherbenhaufen (4.11.15)

      RWE an Schulen?
      Lobbycontrol protestiert (2.11.15)

      Hinkley Point: Chinesischer Staats-Konzern
      investiert in schwarzes Loch (21.10.15)

      Für nur 5 Cent: 90 Prozent Reduktion
      der CO-Emissionen bis 2050 (19.10.15)

      Atom-Ausstieg ist sofort möglich
      Studie im Auftrag von .ausgestrahlt (25.06.15)

      Gabriel zerstört Solar-Fabrik
      Sabotage an Energie-Wende vernichtet
      hunderttausende Arbeitsplätze (25.04.15)

      Schwarze Demo in Berlin
      für Treibhaus-Effekt und Kohle-Engel Gabriel (25.04.15)

      Sabotage an der Energie-Wende
      Bürgerschaftliches Engagement sinkt (2.03.15)

      Kohlekraftwerk Moorburg
      "Rot-schwarz-grüner" Klimaschutz? (28.02.15)

      Untergräbt Gabriel
      das Vertrauen der Atomwirtschaft? (21.01.15)

      Anti-Arbeitsplatz-Minister Gabriel:
      30.000 Jobs durch EEG-Sabotage vernichtet (25.10.14)

      Menschenkette gegen Braunkohle-Abbau
      7.500 TeilnehmerInnen für Energie-Wende (23.08.14)

      China strebt Ausstieg
      aus Kohle-Verstromung an (10.08.14)

      Deutsche Kohlekraftwerke sind führend
      in Europa auf Weg in Klimakatastrophe (22.07.14)

      Gabriel blockiert Energie-Wende
      EEG de facto abgeschafft (27.06.14)

      Braunkohle-Abbau in Brandenburg
      "Wirtschaftlich unsinnig und klimapolitisch fatal" (7.06.14)

      Die Linkspartei und die Braunkohle
      Dialog mit Greenpeace geplatzt (2.06.14)

      Umfrage im Auftrag von Greenpeace:
      79 Prozent in Brandenburg gegen Braunkohle (1.06.14)

      Die Linkspartei und die Braunkohle
      Greenpeace-Disput vorerst ohne Ergebnis (27.05.14)

      Greenpeace stellt Linkspartei
      Glaubwürdigkeit oder Braunkohle (26.05.14)

      Linkspartei für und
      gegen Braunkohle-Abbau? (26.01.14)

      Klimakatastrophe ist Gemeinwohl
      Braunkohle-Abbau triumphiert vor Gericht (17.12.13)

      Rauchzeichen von "Rot-Grün"
      NRW bleibt schwarz (13.12.13)

      Klima: WMO gibt neuen Höchststand
      bei CO bekannt (6.11.13)

      Atom-Ausstieg?
      Ein Vergleich zwischen D und GB (2.11.13)

      Schwarze Kassen bei der "grünen" EnBW?
      Baden-württembergische Staatsanwaltschaft ermittelt
      (28.10.13)

      EU-Kommissar Oettinger manipuliert
      Subventionsbericht zu erneuerbaren Energien (14.10.13)

      Tschechien: Stop der Förderung
      der erneuerbaren Energien -
      Subventionierung der Atomenergie? (15.09.13)

      Erneuerbare Energien - In einer realen Marktwirtschaft
      müßten die Strompreise sinken (12.07.13)

      Pleitewelle rollt weiter
      Solarfirma Conergy insolvent (5.07.13)

      Parteien-Politik sabotiert Solarwärme
      Deutschland im EU-Vergleich auf Platz 6 (27.06.13)

      Mehrheit in Polen gegen AKW
      Trotz erfolgloser Propaganda bleibt Regierung
      auf Atom-Kurs (19.04.13)

      Jährlich 3.100 Tote
      durch deutsche Kohlekraftwerke (3.04.13)

      Dem deutschen Wald geht es schlechter
      als in den 1980er-Jahren (4.02.13)

      Braunkohle-Protest in Brandenburg
      Sternmarsch gegen "rot-rote" Energiepolitik (6.01.13)

      Erfolg für Klimarettung
      Kohlekraftwerks-Projekt Staudinger gestoppt (13.11.12)

      Strompreiserhöhungen wegen Energie-Wende?
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      Bundesregierung bremst
      Energie-Effizienz bei Neubauten (14.09.12)

      BUND: "Energie-Wende erfordert Effizienz-Verbesserung"
      7-Punkte-Programm vorgelegt (15.03.12)

      Trotz Kälte
      kein Strommangel in Deutschland (3.02.12)

      Steuergelder für CO-Schleudern
      Kohlekraftwerke weiterhin subventioniert (14.07.11)

      Vattenfall plant Abbaggerung von Dörfern
      Sternmarsch gegen Braunkohle-Abbau (2.01.11)

      Greenpeace deckt auf:
      Deutsche Kohle-Subvention mit jährlich 13 Milliarden Euro
      (4.06.10)

      Protestaktion bei Radrennen
      MIBRAG plant Braunkohlekraftwerk Profen (23.05.10)

      Stop
      für Kohlekraftwerks-Projekt Düsseldorf (26.04.10)

      Brandenburg: Linkspartei fällt um
      Platzeck darf weiter klimaschädliche Braunkohle verstromen
      (19.10.09)

      Stop für Kohlekraftwerk Mainz
      Klimakiller mit Finanzierungsproblemen (29.09.09)

      Bau des Kohlekraftwerks Datteln gestoppt
      Gericht erkennt erstmals Klimaschutz als Argument
      (24.09.09)

      Aus für Kohlekraftwerk Kiel
      Als Ersatz soll ein Gaskraftwerk gebaut werden (15.07.09)

      Freispruch für Robin-Wood-AktivistInnen
      Kletteraktion gegen neuen Kohlekraftwerksblock
      kein Hausfriedensbruch (25.06.09)

      Demo gegen Kohlekraftwerk Mainz
      4000 gegen Klimakiller und für Erneuerbare Energien
      (24.05.09)

      Protest gegen geplantes Kohlekraftwerk
      5000 in Emden (18.05.09)

      Hamburger Pseudo-Grüne machen Weg frei
      für Kohlekraftwerk Moorburg
      Wahlversprechen wie vorhersehbar gebrochen (30.09.08)

      6000 Menschen gegen die Kohlekraftwerkspläne
      Staudinger in Hessen und Jänschwalde in Brandenburg
      (13.09.08)

      Neues Mainzer Kohlekraftwerk stößt auf Ablehnung
      Wiesbadener Stadtparlament votiert dagegen (18.03.08)

      Klima-Protest in Karlsruhe
      Robin-Wood-Aktion gegen Ausbau
      des EnBW-Kohlekraftwerks (25.02.08)

      BI gegen neues Kohlekraftwerk in Lubmin
      BürgerInnen kämpfen für Klimaschutz (13.02.08)

      7 Kohlekraftwerke in 6 Monaten verhindert
      BürgerInnen kämpfen für Klimaschutz (7.02.08)

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      (28.09.07)

      Anstieg beim Kohlendioxidausstoß
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