Französische Regierung treibt Endlager-Projekt
in Bure voran
Nancy (LiZ). Seit 1994 verfolgt die französische Regierung Pläne, in dem kleinen lothringischen Ort Bure ein Endlager für hochradioaktiven Müll auszuweisen. Bislang wurden in das Endlager-Projekt bereits mehr als 1,5 Milliarden Euro gesteckt. Im Mai sollte mit einem "Anhörungsverfahren" eine neue Phase eingeläutet werden.
In den USA war Granit als Wirtsgestein für ein Atommüll-Endlager untersucht worden. Das Projekt im Yucca Mountain im Bundesstaat Nevada scheiterte bereits im Jahr 2004 und seitdem ist in den USA keine Lösung des Atommüll-Problems in Sicht. Dennoch blieben die Atomkraftwerke in Betrieb. US-Präsident Barack Obama schaffte es sogar mit gigantischen Kreditbürgschaften von über 54 Milliarden US-Dollar erstmals nach 1979 einen der Strom-Konzerne dazu zu animieren, mit dem Bau eines neuen Atom-Reaktors zu beginnen.
Und obwohl längst wissenschaftlich bewiesen ist, daß der Salzstock in Gorleben nicht als Atommüll-Endlager taugt, scheint in Deutschland alles darauf hinauszulaufen, daß dieser Standort auf Biegen und Brechen von der Parteien-Politik durchgesetzt werden soll. Ebenso wie in Deutschland Bundes-Atom-Minister Peter Altmaier mit einem "Bürgerdialog" einem bereits von "Schwarz-Rot-Gelb-Grün" ausgehandelten Endlager-Such-Gesetz im Nachhinein eine demokratische Legitimation zu verschaffen suchte, dient das "Anhörungsverfahren" in Frankreich demselben Zweck.
In der Schweiz und in Frankreich hat sich die Auswahl des Wirtsgesteins schon recht früh auf Opalinuston fokussiert. Ausgerechnet eine Arbeit der renommierten ETH Zürich zeigte im Jahr 2008, daß es bei der Einlagerung radioaktiver und stark Wärme abstrahlender Stoffe zu Rißbildungen im Opalinuston kommen wird – was den zuvor zugrundegelegten Annahmen diametral widerspricht. Dennoch verfolgen die Schweizer Regierung das Endlager-Projekt im Opalinuston unter dem kleinen Ort Benken und die französische Regierung in Bure unbekümmert fort. Daß die Parteien-Politik ihren eigenen Annahmen schon vor Jahrzehnten nicht so recht traute, spiegelt sich darin, daß die Standorte Gorleben, Benken und Bure in grenznahen und dünn besiedelten Landstrichen ausgeschaut wurden.
Offiziell waren die knapp 500 Meter unter der Erde liegenden Gänge unterhalb des lothringischen Bure bislang ein Versuchslabor. Ein Labor, in dem angeblich untersucht werden sollte, ob die Lagerung von Atommüll in Opalinuston möglich ist. Eine Entscheidung für Bure als Endlager-Standort sei damit nicht getroffen, hieß es immer. Alternative Standorte wurden aber nie ernsthaft in Erwägung gezogen. Noch vor wenigen Jahren wurde aus wissenschaftlicher Sicht als Voraussetzung für ein Atommüll-Endlager in Opalinuston eine vertikale Stärke der Schicht von mindestens 200 Meter vorgegeben. Doch heute werden die Opalinus-Tonschicht unter Benken mit einer Stärke von weniger als 120 Meter und jene unter Bure mit einer Stärke von weniger als 130 Meter als "geeignet" deklariert.
Aus dem "Versuchslabor" unter dem Ort Bure soll nun offiziell ein Zentrum für umkehrbare Tiefenlagerung hochradioaktiven Atommülls werden - also ein Endlager, in dem vorerst hundert Jahre lang der radioaktive Müll der 19 französischen Atomkraftwerke mit insgesamt 58 Reaktoren gelagert werden soll. Derzeit werden die abgebrannten Brennstäbe aus den Atom-Reaktoren in die Plutoniumfabrik im nordfranzösischen La Hague transportiert. Ab 2025 sollen CASTOR-Behälter mit dem strahlenden Müll nach Bure rollen. Das Konzept sieht eine "umkehrbare" Lagerung vor, was heißen soll, daß der Atommüll bis zum Jahr 2125, also hundert Jahre später, falls andere Lösungen gefunden werden, wieder herausgeholt werden kann. Falls dem nicht so ist, soll die unterirdische Mülldeponie in Bure versiegelt werden. Der Baubeginn ist derzeit für 2019 vorgesehen und nach der gegenwärtigen offiziellen Schätzung soll das Projekt 15 Milliarden Euro kosten.
KritikerInnen des Projektes, in das die staatliche Agentur für Atommüll, ANDRA, bislang mehr als 1,5 Milliarden Euro gesteckt hat, befürchteten schon immer, daß Bure insgeheim als Standort für das einzige Atommüll-Endlager in Frankreich vorgesehen war. Ab dem 14. Mai wurde in Bure ein bis Oktober dauerndes "Anhörungsverfahren", ein "débat public", gestartet.
Für die französische Anti-AKW-Bewegung ist dieses "Anhörungsverfahren" lediglich eine "Simulation von Beteiligung und Demokratie". Sie kritisiert, daß geologische Verwerfungslinien um Bure nie ernsthaft untersucht wurden. Angeprangert wird auch, daß Millionen Euro aus dem EURATOM-Haushalt, für den auch AKW-freie Länder wie Österreich und Italien zwangsweise zur Kasse gebeten werden, in das Projekt Bure flossen und daß dies verschleiert wurde. Und nicht zuletzt spotten die französischen Atomkraft-GegnerInnen, daß die Zustimmung lokaler PolitikerInnen und BürgermeisterInnen mit reichlich Subventionen "gekauft" wurde.
In den deutschen Mainstream-Medien heißt es nicht selten, der Widerstand gegen Bure sei in Frankreich "nicht nennenswert" und Kritiker gebe es in der "Atomnation Frankreich" nur wenige. Umfragen zeigen dagegen ein ganz anderes Bild: Das Euro-Barometer 2006/2007 ergab für Frankreich mit 56 zu 33 Prozent eine deutliche Mehrheit gegen Atomenergie. Diese Mehrheit war zum damaligen Zeitpunkt sogar größer als in Deutschland (51 zu 37). Im Jahr 2007 sprachen sich 78 Prozent der FranzösInnen dafür aus, dem Ausbau der erneuerbaren Energien Vorrang einzuräumen. Und 58 Prozent waren der Ansicht, daß die Atomenergie bei einem Ausbau der erneuerbaren Energien und einer Steigerung der Energieeffizienz leicht ersetzt werden könnte. Nur 37 Prozent waren der gegenteiligen Ansicht. Nach dem 11. März 2011 sind die Mehrheitsverhältnisse in Frankreich noch deutlicher: Laut Meinungsumfragen sprachen sich 2011 über 66 Prozent der FranzösInnen gegen Atomenergie aus.
Die örtlichen Atomkraft-GegnerInnen, die sich mit dem Widerstandshaus "Bure Zone Libre" eine Basis des Protests geschaffen haben, riefen zu Protesten am 23. Mai auf. Diese waren so wirkungsvoll, daß die französische Regierung das "Anhörungsverfahren" ausgesetzt hat. Die Atomkraft-GegnerInnen vor Ort sind gut mit jenen im Wendland (Gorleben) und im Zürcher Weinland (Benken) vernetzt und stärken sich gegenseitig mit einem regen Erfahrungsaustausch. Am Wochenende 31. August / 1. September findet in Bonnet (rund 80 Kilometer westlich von Nancy) wieder das schon traditionelle Bure-Festival statt, zu dem GästInnen aus ganz Frankreich, Deutschland und der Schweiz erwartet werden.
Anmerkungen
Siehe auch unseren Artikel:
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