2.01.2022

Spülschwämmchen mit umweltschädlichen
versteckten Zusätzen

Spülschwämmchen - Foto: Samy - Creative-Commons-Lizenz Namensnennung Nicht-Kommerziell 3.0
Berlin (LiZ). Wer heute ein Spülschwämmchen im Supermarkt kauft, ist der Willkür der Produzenten nahezu hilflos ausgeliefert. So findet sich etwa auf der Packung eines "namhaften" Herstellers der Hinweis in mittelgroßer Schrift: "Resistent gegen Bakterien*". Das deutet nicht unbedingt auf ein umwelt­schädliches Produkt hin. Doch das Sternchen am Ende des Wortes "Bakterien" macht mißtrauisch... Erst nach mindestens fünfminütigem Drehen und Wenden der Verpackung ist eine kleingedruckte Erklärung für das Sternchen zu entdecken: "Enthält den antibakteriellen Inhaltsstoff Silberchlorid..." Was hat es damit auf sich?

Silberchlorid ist ein Biozid. Und obwohl es sich bei Silberchlorid laut der Europäischen Biozid-Verordnung um einen sogenannten "Altwirkstoff" handelt, begann die Prüfung dieser Chemikalie erst im Jahr 2021 - diese zieht sich vermutlich noch einige Zeit hin... Da das Genehmigungsverfahren auf EU-Ebene noch nicht abgeschlossen ist, ergibt sich in diesem Fall die bürokratische Schlußfolgerung, daß der Einsatz von Silberchlorid - oder auch von Zinkpyrithion - der "Verantwortung" der Produzenten überlassen bleibt.

Merkwürdiger Weise stuft die Europäische Chemikalienbehörde (ECHA) das häufig verwendete Biozid Silberchlorid sogar in der höchsten Gefährdungsklasse 1 für akute und langfristige Gewässergefährdung ein. Das deutsche Umweltbundesamt rät, sich vor der Verwendung von Produkten mit Bioziden nach schonenderen Alternativen umzusehen und stellt umfangreiche Informationen zum Thema auf seinem Biozid-Portal zur Verfügung.

Aufgrund der möglichen Umweltbelastung und Gesundheitsrisiken, wie dem Auftreten von allergischen Reaktionen oder der Bildung resistenter Bakterien durch eine Anwendung von Bioziden rät auch die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen prinzipiell davon ab, Produkte zu kaufen, die als "geruchshemmend" oder "antibakteriell" beworben werden. Die Diplomchemikerin Dr. Kerstin Etzenbach-Effers von der Verbraucherzentrale NRW ist der Ansicht, daß Biozide wie Silberchlorid oder Zinkpyrithion "unverzichtbaren Anwendungen" vorbehalten sein sollten - also etwa medizinischen Anwendungen. Biozide sollten nicht Bestandteil von Massenprodukten sein.

Allein auf dem deutschen Markt sind laut dem Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany) mehr als 43.000 Biozid-Produkte registriert.

Was verstehen Fachleute unter dem Begriff 'Biozid'? Er ist abgeleitet von altgriechisch bios, deutsch: 'Leben' und von lateinisch caedere: 'töten'. Anders als die in der konventionellen Landwirtschaft eingesetzten Pestizide (dies umfaßt: Insektizide, Herbizide und Fungizide) wurden Biozide herkömmlich beispielsweise als Desinfektionsmittel, Rattengifte oder Holzschutzmittel eingesetzt.

Biozide wie beispielsweise Silberchlorid oder Zinkpyrithion werden derzeit oft eingesetzt, um Viren oder Bakterien aus Gründen der Hygiene zu bekämpfen. Laut dem Bundes-"Umwelt"-Ministerium wird auch in privaten Haushalten eine Vielzahl von biozidhaltigen Produkten verwendet - nicht selten ohne daß dies den VerbraucherInnen bewußt ist.

Zunehmend werden Biozide auch zur antibakteriellen "Ausrüstung" von Produkten verwendet, um diese dann als "nachhaltig" zu bewerben. Diese sogenannten nachhaltigen Produkte haben mittlerweile eine Spannbreite angefangen von biozidbehandelter Menstruationsunterwäsche, Sport- und Freizeitkleidung, über Schuhe, Handtücher und Bettwäsche bis hin zu biozidbehandelten Hüllen für Mobiltelefone.

Laut den Herstellern sollen Biozide mit ihren antibakteriellen Eigenschaften für mehr Hygiene sorgen. In Sport- und Freizeitkleidung, die mit Bioziden ausgerüstet ist, soll die Geruchsbildung durch die bakterielle Zersetzung von Schweiß verhindert werden. Solche Anwendungen von Bioziden sind nicht nur umweltschädlich, sondern völlig unnötig. Offenbar dienen sie nur dazu, einen zusätzlichen Kaufanreiz zu setzen.

Auch das Umweltbundesamt vertritt den Standpunkt, daß auf den Einsatz von Biozid-Produkten oftmals verzichtet werden kann. Dies werde am Beispiel der biozidbehandelten Sport- und Freizeitkleidung deutlich. Denn regelmäßiges Waschen der Kleidung wirke ebenfalls einer Geruchsbildung entgegen.

Die Verbraucherzentrale NRW weist darauf hin, daß kein einziger wissenschaftlicher Nachweis zu finden ist, der belegt, daß Biozide in Alltagsprodukten einen größeren Gesundheitsnutzen hätten als die klassischen Maßnahmen wie Hand- und Körperhygiene mit einer hautschonenden Seife und der 60-Grad-Wäsche für hautnahe Textilien. Biozide in Alltags-Produkten haben also für VerbraucherInnen keinen zusätzlichen Nutzen - sie kosten allerdings meist mehr als vergleichbare Ware. Ein Markt-Check von PAN Germany hat ergeben, daß bei fünf von sieben Gebrauchs-Gegenständen jene mit antibakterieller Ausrüstung teurer angeboten werden.

Nicht nur die akute und langfristige Gewässergefährdung spricht gegen einen unbedachten und rein marketing-orientierten Einsatz biozidbehandelter Produkte. Es finden sich auch viele Hinweise darauf, daß der immer weiter verbreitete Einsatz solcher Massenprodukte Resistenzbildungen, allergische Reaktionen sowie die Beeinträchtigung des Hautmikrobioms zur Folge hat.

Auch für die Umwelt ist der ausufernde Einsatz von Bioziden äußerst schädlich. Viele Biozide werden als umweltgefährlich eingestuft. Schließlich ist es ihre Zweckbestimmung, Lebewesen zu schädigen und abzutöten. Silberchlorid und Zinkpyrithion sind beide als sehr giftig mit langfristiger Wirkung für Wasser-Organismen eingestuft. Es besteht das Risiko, und es wurde auch bei verschiedenen biozidbehandelten Textilien belegt, daß Biozide von Textilien abgerieben, während des Reinigens ausgewaschen und über Abwasser und Kläranlage in die Gewässer gelangen und sich dort beispielsweise in den Kiemen von Fischen anreichern.

Das Risiko der Wasserverschmutzung durch Biozide bestätigt eine Studie der Swedish Water and Wastewater Association über Sportkleidung, die mit Silber behandelt wurde. Sie kam zu dem Ergebnis, daß nach 10-maliger Maschinenwäsche durchschnittlich 72 Prozent des zugesetzten Silbers im Abwasser landen.

Die Verbraucherzentrale NRW warnt vor den möglichen Umweltfolgen von Bioziden und weist darauf hin, daß Silberionen im Abwasser beziehungsweise in Kläranlagen mit Sulfiden schwerlösliches Silbersulfid bilden. Freigesetztes Silber, auch Silbersulfid, verschwindet nicht spurlos aus der Umwelt, sondern kann über das Abwasser oder den Klärschlamm wieder in die Biosphäre gelangen.

 

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Anmerkungen

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