Sammelt die NSA Penis-Fotos?
Ein Interview mit Edward Snowden
Moskau (LiZ). Der US-amerikanische Kabarettist John Oliver interviewte den Whistleblower Edward Snowden in Moskau. Oliver konfrontierte Snowden damit, daß der von ihm aufgedeckte NSA-Skandal in den USA kaum Beachtung findet - und warf eine publicityträchtige Frage auf...
Edward Snowden ist einer der bedeutendsten Whistleblower der US-amerikanischen Geschichte. Seit seinem ersten öffentlichen Auftritt im Juni 2013 wurden dutzende Überwachungs-Programme publik, mit denen der US-amerikanische Geheimdienst NSA weltweit den Datenschutz aushöhlt und die gesamte Kommunikation flächendeckend ausschnüffelt.
Doch offenbar haben die Mächtigen in den USA mit Hilfe der Mainstream-Medien und der narkotisierenden TV-Berieselung die Mehrheit der US-amerikanischen Bevölkerung fest im Griff: Ein Team des Kabarettisten John Oliver befragte - in Vorbereitung des Treffens mit Snowden - Menschen in New Yorks Straßen nach dem Whistleblower. Viele kannten nicht einmal den Namen, andere brachten ihn mit Wikileaks in Verbindung, wieder andere waren der Ansicht, Snowden gefährde Operationen der US-Geheimdienste gegen den Terrorismus. Als John Oliver den Whistleblower in seinem Moskauer Asyl mit den Aufnahmen konfrontierte, war dieser sichtlich fassungslos.
In Europa war die Reaktion auf den NSA-Skandal zwar deutlich heftiger als in den USA - von wachsweichen Erklärungen der europäischen Regierungen einmal abgesehen überwogen kritische und empörte Stellungnahmen deutlich die nur verhaltenen und gelegentlichen Versuche, die Schnüffel-Praxis der US-Geheimdienste im Verbund mit ihren europäischen Partner-Organisationen wie dem britischen GCHQ und dem deutschen BND zu rechtfertigen oder zu beschönigen.
Allerdings haben die EuropäerInnen wenig Anlaß die Nase über die USA zu rümpfen und sind nicht viel aufgeklärter als die durchschnittlichen US-AmerikanerInnen: Mehrheitlich geben sie freiwillig persönliche Daten in das III "Facebook" ein, benutzen Produkte wie iPhones oder solche von Microsoft, sind der Ansicht, Text-Dateien mit Endungen wie .doc seien Standard und die Installation einer viren-sicheren Alternative wie LibreOffice überfordere ihr Gehirn. Daß sie dabei in Kauf nehmen, quasi mit heruntergelassenen Hosen vor die Haustür zu treten, scheinen auch sie mehrheitlich noch nicht realisiert zu haben. Dabei dürfte zugleich klar sein, daß Nacktfotos - gerade dann, wenn diese von sämtlichen BürgerInnen eines Staaten vorlägen - keineswegs den Weg in die Diktatur ebnen würden.
Im Interview mit Snowden stellte John Oliver zunächst die üblichen Fragen - ob er die Heimat vermisse, warum er die Geheimnisse veröffentlicht habe... Als Snowden zu erklären versuchte, daß die Veröffentlichungen wichtig seien, um das Abdriften in eine Überwachungs-Diktatur abzuwenden, fiel ihm Oliver ins Wort: "Ich denke, das interessiert die Menschen in den USA nicht!" Daraufhin konfrontierte er ihn mit den Video-Aufzeichnungen von den Befragungen in New York.
Doch John Oliver bringt mit seiner Satire-Show 'Last Week Tonight' regelmäßig politische Würze ins übliche US-amerikanische TV-Einerlei. Und so zeigte er auch Snowden einen Weg auf, die US-amerikanische Apathie mit Witz zu durchbrechen: Auf die Frage an die New Yorker Passanten "Was würden Sie davon halten, wenn die Regierung Penis-Fotos von Ihnen hätte?" antworteten alle mit Empörung und sprachen sich gegen eine solche Spionage aus.
Snowden reagierte nachdenklich auf die Video-Aufzeichnungen aus New York und sagte: "Nun, die gute Nachricht ist, daß es kein Überwachungs-Programm gibt, das Penis-Foto-Programm heißt. Die schlechte Nachricht ist, daß sie immer noch Informationen sammeln - auch eure Penis-Fotos." Im weiteren Verlauf des Interviews konnte Snowden anhand aller von ihm öffentlich gemachten Schnüffel-Programme erläutern, wie die US-Regierung an Penis-Fotos gelangen und diese speichern kann. So geriet die Beschreibung der Spionage-Aktivitäten der NSA sehr anschaulich.
Zum Schluß fragte John Oliver mit gespielter Besorgnis, ob er nun damit rechnen müsse, auch auf die Schwarzen Liste der Geheimdienste zu geraten. Snowden erwiderte: "Wenn Sie nicht schon vorher auf der Liste standen, dann stehen Sie jetzt darauf!"
Anmerkungen
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