Waldbrand in Kanada außer Kontrolle
Eine menschengemachte Klima-Katastrophe
Edmonton (LiZ). Bereits rund 2.000 Quadratkilometer Waldfläche sind in der Region um die Teersand-Abbaugebiete in der kanadischen Provinz Alberta vom Feuer vernichtet. 100.000 Menschen sind auf der Flucht und allein 25.000 EinwohnerInnen der Stadt Fort McMurray mußten evakuiert werden. Laut Fachleuten ist in der derzeit unkontrollierbaren Situation mit einer Ausbreitung des Waldbrands auf die doppelte Fläche zu rechnen.
Laut Wetterprognosen stehen der Region weitere warme, trockene und windige Tage bevor. Feuerwehrleute erklären illusionslos, daß der Waldbrand derzeit ohne einen Regen nicht gelöscht oder auch nur eingedämmt werden könne. Chad Morrison, oberster Waldbrand-Beauftrager der Provinz Alberta befürchtet, daß sich die vom Waldbrand betroffene Fläche schon bis zum morgigen Samstag verdoppelt. Zum Vergleich: Die Fläche des Saarlandes beträgt rund 2.500 Quadratkilometer. Das Feuer in der Region um Fort McMurray brach vor einer Woche aus. Es ist nur einer von derzeit ungefähr 40 Waldbränden in der Provinz Alberta.
ExpertInnen machen die menschengemachten klimatischen Veränderungen mit verantwortlich für die riesigen Waldbrände. Das Wetterphänomen El Niño verstärke die extreme Trockenheit zusätzlich. Allein in diesem Jahr kam es rund um Alberta schon zu 330 Waldbränden - mehr als doppelt so viele wie in den vergangenen Jahren. In Folge der menschengemachten klimatischen Veränderungen ist in Alberta die schlimmste Trocken-Periode der vergangenen fünfzig Jahre zu verzeichnen.
Kanadas Bevölkerung von insgesamt nur 35,8 Millionen ist weit überproportional am globalen Treibhaus-Effekt beteiligt. Ein Fünftel der globalen Wald-Abholzung geht auf ihr Konto. Eines der derzeit größten Menschheits-Verbrechen findet mit dem Teersand-Abbau in Kanadas reichster Provinz statt: in Alberta. Es handelt sich um eine der schmutzigsten Arten der unkonventionellen Erdöl-Gewinnung. Der großflächige Tagebau von Teersand geht mit massiver Naturzerstörung und vor allem irreversibler Waldabholzung einher. Vergiftete Mondlandschaften bleiben zurück.
Durch die Waldzerstörungen in Kanada wurden riesige Mengen CO₂ in die Atmosphäre entlassen. Mit der Verbrennung des in Alberta gewonnenen Erdöls kommen weitere gigantische Freisetzungen hinzu, denn das von hier stammende Erdöl ist mehr als dreimal so CO₂-intensiv wie konventionelles Erdöl. Dies steht im Hintergrund der Entscheidung der kanadischen Regierung, die im Dezember 2011 das Kyoto-Protokoll kündigte. Beim Klimaschutz-Index 2008 lag Kanada auf Platz 53 von 56 untersuchten Staaten und rangierte beim Kohlendioxid-Ausstoß nur noch vor Saudi-Arabien, den USA und Australien.
Eine Dimension von 100.000 Flüchtlingen war bislang allenfalls bei Kriegs-Flüchtlingen aus dem Nahen Osten oder (anderen) Klima-Flüchtlingen aus Afrika bekannt. Doch selbst im Syrien-Krieg kam es bisher zu keinem vergleichbaren Fall, bei dem alle Menschen einer Großstadt geflüchtet wären. Nach aktuellen Berechnungen würde ein Wiederaufbau der Stadt Fort McMurray mehrere Milliarden Dollar kosten. Mit einem weiteren klimabedingten Anstieg des Meeresspiegels wird es noch zu ganz anderen Dimensionen bei der Zahl von Klima-Flüchtlingen kommen.
Am gestrigen Freitag begann nördlich von Fort McMurray die Evakuation jener 25.000 EinwohnerInnen, die vor den Flammen in den Tagen zuvor nach Norden in die Unterkünfte der Erdölindustrie geflohen sind, weil die Straße nach Süden blockiert war. Ein langsamer Konvoi von Fahrzeugen, eskortiert von Mitgliedern der Royal Canadian Mounted Police (RCMP) bewegte sich, langsam auf dem Highway Nr. 63 nach Süden, durch das abgebrannte Fort McMurray hindurch und weiter in Richtung Edmonton.
Die RCMP wollte dabei keinerlei Risiken eingehen: Die Konvois wurden von Helikoptern überwacht und waren auf je 50 Fahrzeuge begrenzt. Jeder anderer Verkehr wurde dabei untersagt und insbesondere Reisen nach Norden in das Krisengebiet wurden strikt kontrolliert. Es dürfte für viele der Evakuierten eine emotionelle Erfahrung sein, durch das verwüstete Gebiet zu reisen, das bis vor kurzem ihre Heimat darstellte. Nahezu alle von ihnen haben über Nacht ihr ganzes Hab und Gut verloren. Die Gemeinde Lac La Biche hat - ebenso wie viele andere - bereits ein Mehrfaches der eigenen Zahl an EinwohnerInnen in Höhe von knapp 2.500 an Flüchtlingen aus Fort McMurray und Umgebung aufgenommen und mit Notunterkünften sowie mit dem Nötigsten versorgt.
Eine Chance würde auch für Kanada in der Energie-Wende liegen. Das Land könnte problemlos in wenigen Jahren zu hundert Prozent durch Sonnenenergie, Windkraft, Wasserkraft und Biogas versorgt werden. Zudem bieten die erneuerbaren Energien ein Vielfaches der Arbeitsplätze, die bei einem Ausstieg aus der Erdöl- und der Atomkraft-Industrie wegfallen würden.
Anmerkungen
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