Klima
Die Ausrottung der Hummel
Ottawa (LiZ). Hummeln sind auf diesem Planeten durch die menschengemachten klimatischen Veränderungen vom Aussterben bedroht. Dies berichtet ein internationales WissenschaftlerInnen-Team um den Biologen Jeremy Kerr von der kanadischen University of Ottawa im renommierten Fach-Magazin 'science'.
Hummeln, die rundlichen, im Vergleich zu Bienen meist etwa doppelt so großen Insekten, sind für viele Pflanzen - und damit auch für die menschliche Nahrungsmittel-Produktion - wichtige Blüten-Bestäuberinnen. Aus der in der neuen Ausgabe von 'science' veröffentlichten Untersuchung der WissenschaftlerInnen geht hervor, daß ihre Zahl in Europa und Nordamerika drastisch zurückgegangen ist, weil ihr Lebensraum durch die klimatischen Veränderungen verkleinert wird. Die südliche Grenze der Verbreitung der meisten Tier-Arten in Europa und Nordamerika wurde dabei in einer - an den Zeit-Maßstäben der Evolution gemessen - rasanten Geschwindigkeit nach Norden verschoben - die nördliche Grenze jedoch nicht.
Die Südgrenze wurde infolge der menschengemachten Emissionen in nur hundert Jahren um rund 300 Kilometer nach Norden verschoben. Die verschiedenen Hummel-Arten sind heute in Regionen mit den höchsten Durchschnitts-Temperaturen weitgehend verschwunden. Dieser Effekt ist auch schon bei anderen Tierarten wie etwa Schmetterlingen beobachtet worden. Allerdings können die meisten Spezies den Verlust kompensieren, in dem sie ihr Verbreitungs-Gebiet in Erdteile ausdehnen, wo es vor der Klimaerwärmung zu kühl war - so beispielsweise die in Europa bis vor wenigen Jahren noch unbekannte Tigermücke (Siehe unseren Artikel v. 26.11.07). "Für Arten wie Hummeln, die sich unter kühlen Bedingungen entwickelt haben, ist der Klimawandel womöglich die Bedrohung, die sie für immer verschwinden läßt," warnt Jeremy Kerr. "Sie sind wie in einer Art Klima-Schraubstock gefangen."
Für die Untersuchung wertete das WissenschaftlerInnen-Team um Kerr mehr als 420.000 Daten von insgesamt 67 europäischen und nordamerikanischen Hummel-Arten aus, die im Zeitraum von 1901 bis 2010 gesammelt worden waren. Als Vergleichs-Basis wurde der Zeitraum von 1901 bis 1975 gewählt, da damals die Durchschnitts-Temperaturen noch deutlich niedriger lagen. "Für mich war erschreckend, wie schnell sich die Situation verändert hat", sagt Sheila Colla von der York-Universität in Toronto. Und ihr Kollege Laurence Packer ergänzt: "Ich war überrascht, daß derart viele Hummel-Arten dieses Problem haben." "Obwohl sich ihre Lebensräume mit rund plus 2,5 Grad deutlich erwärmt haben, haben es die Hummeln nicht geschafft, mit der Erwärmung mitzuziehen," erklärt Co-Autor Oliver Schweiger vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig. Lediglich einige wenige Hummel-Arten hätten ihren Lebensraum in kühlere Höhenlagen verlagert. "Die Bewegung hangaufwärts bedeutet aber nicht unbedingt, daß die Hummeln das Verbreitungsgebiet nicht verloren haben," sagt Co-Autor Leif Richardson von der University of Vermont. Diese Zuflucht sei letztlich eine Sackgasse, aus der es bei weiterer Erwärmung kein Entkommen gibt.
Warum die Hummeln nicht einfach in den noch kühleren Norden auswandern, können die WissenschaftlerInnen nicht erklären. Vermutlich ist die geringere Flexibilität der Hummeln evolutionär bedingt. So haben viele andere Insekten-Arten ihren Ursprung in den Tropen, die Hummeln hingegen in der nicht-tropischen Paläarktis, schreiben die WissenschaftlerInnen in 'science'.
Auch wenn der Einsatz von Pestiziden in der industriellen Landwirtschaft drastisch zum Verschwinden der Hummeln beigetragen hat, scheint dies nicht für den überproportionalen Rückgang in den südlicheren Regionen ursächlich zu sein. "Die Hummeln verschwinden aus warmen südlichen Regionen auch dann, wenn dort kaum Landwirtschaft betrieben wird und keine Pestizide eingesetzt werden," sagt Kerr.
"Hummeln bestäuben viele Pflanzen, die Menschen und Tieren als Nahrungsquelle dienen", erklärt Richardson. Sie sind im Frühjahr meist schon vor den Bienen bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt unterwegs und spielen bei der Bestäubung von Tomatenpflanzen eine bedeutende Rolle. "Wenn wir den Rückgang der Hummeln nicht stoppen, werden wir uns vielleicht höheren Nahrungsmittelpreisen, einer geringeren Vielfalt und anderen Problemen stellen müssen," warnt Richardson.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
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