CASTOR-Behälter vom Typ TN-85 marode?
Konstruktions-Mängel nachgewiesen
Hannover (LiZ). In der als "Zwischen"-Lager bezeichneten Halle bei Gorleben lagern 113 CASTOR-Behälter mit hochradioaktivem Müll, darunter auch solche vom Typ TN-85. CASTOR-Behälter dieses Typs sind möglicherweise marode, da bei der Herstellung Vorgaben der französischen Nuklear-Aufsicht heimlich nicht eingehalten wurden.
Hergestellt wurden die CASTOR-Behälter vom Typ TN-85 in der Areva-Schmiede Creusot Forge. Diese löste bereits im April 2015 einen Skandal aus, da Materialmängel am eben erst eingebauten Reaktordruckbehälter beim AKW-Neubau-Projekt Flamanville festgestellt wurden. In der Folge kam zutage, daß Creusot Forge nicht nur Unregelmäßigkeiten bei der Herstellung von Reaktordruckbehältern nachgewiesen werden konnten, sondern daß auch Sicherheits-Zertifikate über die Materialeigenschaften gefälscht worden waren (Siehe unsere Artikel v. 8.04.15 und v. 18.10.16). Im April 2016 wurde zudem an einem Atommüll-Behälter im "Zwischen"-Lager Gorleben Rost entdeckt (Siehe unseren Artikel v. 1.04.16).
Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg hat nun die Frage aufgeworfen, ob damit gerechnet werden muß, daß CASTOR-Behälter der französischen Baureihe TN-85, bei denen Mängel festgestellt wurden, nicht mehr aus Gorleben abtransportiert werden können. Denn wenn diese CASTOR-Behälter die erforderlichen Eigenschaften nicht aufweisen, kann die für einen Transport nötige verkehrsrechtliche Genehmigung nicht erteilt werden.
Das niedersächsische "Umwelt"- und Atom-Ministerium (NMU) versuchte nun diese Bedenken zu zerstreuen. Dr.-Ing. Jörg Markhöfer vom NMU erklärte: "Die im TBL Gorleben eingelagerten Behälter der Bauart TN 85 verfügen – nach wie vor – über eine verkehrsrechtliche Zulassung. Bei diesen Behältern wurden nach Mitteilung der BAM Dokumentationsmängel im nicht sicherheitsrelevanten Bereich zur Fertigung festgestellt." Die Bundesanstalt für Materialprüfung (BAM) sei mit dem Vorgang befaßt und nach Abschluß der Prüfungen würde die Öffentlichkeit informiert. Markhöfer betonte: "Für die im TBL Gorleben eingelagerten Behälter der Bauart TN-85 gibt es aus atomrechtlicher Sicht nach aktuellem Kenntnisstand keine Beeinträchtigung der Schutzziele und auch der Abtransport dieser Behälter könnte erfolgen."
Mittlerweile ist bekannt geworden, daß es bei mindestens 400 Bauteilen und einer unbekannten Zahl von CASTOR-Behältern, die seit 1965 in der Schmiede Creusot Forge hergestellt und zum Teil während der vergangenen 50 Jahre in Atomkraftwerken weltweit verbaut wurden, Unregelmäßigkeiten bei der Fertigungskontrolle gegeben hat. CASTOR-Behälter vom Typ TN-85 aus der Produktion von Creusot Forge wurden für den Transport von Atommüll in Glaskokillen aus der französischen Plutonium-Fabrik ("Wiederaufarbeitungsanlage") La Hague nach Gorleben verwendet. Dort könnten die Bodenplatten oder Behälterkörper von neun solcher Behälter betroffen sein, hieß es.
Unklar ist bis heute, ob es sich lediglich um Dokumentationsfehler bei Creusot Forge oder um schwerwiegende Produktionsmängel handelt. In jedem der 16 "Zwischen"-Lager in Deutschland kann es zu erheblichen Problemen kommen, wenn die CASTOR-Behälter undicht werden. Laut Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) wird für die heutigen CASTOR-Behälter eine Mindesthaltbarkeit von nur 40 Jahren garantiert. Diese Angabe ist angesichts von CASTOR-Behältern, die sich wegen Gasbildung aufblähten und wegen aufgeplatzten Deckel-Dichtungen wenig glaubwürdig. Und bekanntlich ist eine Reparatur von CASTOR-Behältern oder gar ein Umfüllen des hochradioaktiven Inventars in neue CASTOR-Behälter in den meisten "Zwischen"-Lagern nicht möglich. Nur wenige der "Zwischen"-Lager verfügen über eine sogenannte Heiße Zelle. Im Falle der "Zwischen"-Lagers Gorleben kommt die sogenannte Pilot-Konditionierungsanlage (PKA) ins Spiel, die für ein Ent- und Beladen defekter Behälter gedacht ist.
Aus der öffentlichen Bekundung des niedersächsischen "Umwelt"- und Atom-Ministeriums zur Problematik der zu befürchtenden Materialmängel an den TN-85-CASTORen geht nicht hervor, ob bislang überhaupt Untersuchungen von deutscher Seite vorgenommen wurden oder ob diese Bekundung allein auf Aussagen von französischer Seite beruht. Die BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg fordert, daß unabhängige ExpertInnen die aus Frankreich mitgelieferte Dokumentation zu den fraglichen Behältern einsehen dürfen.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Seehofer gibt nach:
CASTOR ins bayerische "Zwischenlager" (8.12.15)
Finnisches "Endlager"-Projekt Onkalo
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Über 3000 bei Schienenblockade in Harlingen (26.11.11)
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Abfahrt durch Blockaden erheblich verzögert (23.11.11)
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und der CASTOR-Protest (22.11.11)
Genehmigung für CASTOR-Transport
trotz Strahlen-Skandal (31.10.11)
Südwestdeutschen Anti-Atom-Initiativen
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des CASTOR-Transports nach Gorleben (17.10.11)
CASTOR 2011
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13. CASTOR nach Gorleben
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(14.12.10)
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auf Mitte Dezember vorgezogen (17.11.10)
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CASTOR soll nach Lubmin rollen (12.11.10)
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"Kommt ins Wendland!" (29.10.10)
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(4.09.10)
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vor Bundesverfassungsgericht (26.08.10)
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Unsinniger CASTOR-Transport
von Hamburg nach Südfrankreich (15.06.10)
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Atomenergie ist sicher?
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Unfall in der UAA Gronau
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ins Blickfeld gerückt (29.04.09)
Nach dem Wahljahr 2009:
Im Jahr 2010 drei CASTOR-Transporte
durch Deutschland? (15.04.09)
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Amt mußte Strahlenmeßgeräte leihen (17.02.09)
Nachtrag zum Gorleben-CASTOR
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(27.11.08)
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Neue CASTOR-Behälter für radioaktiven Müll
ohne Genehmigung (29.04.08)
21.000 Tonnen Yellow Cake nach Sibirien
ZDF: 3 Tote bei Atom-Unfällen (12.06.07)
Das ungelöste Problem der Endlagerung
Folge 12 der Info-Serie Atomenergie