Spitzel-Einsatz in Heidelberg
war rechtswidrig
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Karlsruhe (LiZ). Das Verwaltungsgericht Karlsruhe entschied gestern (Mittwoch), daß der Einsatz des Spitzels Simon Bromma alias Simon Brenner in der linken Szene Heidelbergs rechtswidrig war. Nach der Enttarnung des LKA-Spitzels hatten Betroffene vor Gericht geklagt.
Simon Bromma war mit staatlich gefälschtem Ausweis unter dem Namen Simon Brenner vom Landeskriminalamt (LKA) in die linke studentische Szene Heidelbergs eingeschleust worden. Vermutlich ab Oktober 2009 lieferte er ausführliche Berichte an seine Vorgesetzten in Stuttgart. Hierfür sammelte er Informationen über politische AktivistInnen und deren privates Umfeld und legte diese in "Personalakten" ab. Darüber hinaus telefonierte er regelmäßig mit in Heidelberger stationierten "Verfassungsschutz"-BeamtInnen und nahm an Nachbereitungs-Besprechungen und Auswertungen von politischen Aktionen teil. Im November 2009 nahm er vermutlich erstmals Kontakt zum SDS Heidelberg auf. Im April 2010 beteiligte er sich an einer Aktion der Anti-Atom-Bewegung am AKW Biblis. Ab Mai 2010 bespitzelte er die Kritische Initiative (KI). Zwischen Mai und Oktober 2010 nahm er an etlichen antirassistischen und Antifa-Demonstrationen teil. Er infiltrierte sogar über Wochen hin die Vorbereitung der CASTOR-Südblockade, die am 6. November 2010 stattfand.
Nach eigener Aussage war Bromma vor allem auf die Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD) angesetzt. Diese war schon vor mehr als zehn Jahren ins Visier des "Verfassungsschutzes" geraten und deren Mitglied Michael Csaszkóczy war - letztlich von Gerichten als Unrecht gewertet - mit dem Berufsverbot verfolgt worden (Siehe unseren Artikel v. 2.08.07 und unser Interview v. 4.11.04).
Am 11. Dezember 2010 wurde er durch ein zufälliges Zusammentreffen enttarnt. In Heidelberg erkannte ihn eine Urlaubsbekanntschaft beim Besuch einer Freundin wieder. Diese hatte er vor Einsatzbeginn in Frankreich kennengelernt und ihr gesagt, er heiße Simon und sei Polizist in Überlingen. Als er am darauffolgenden Tag mit dem Verdacht, Spitzel zu sein, konfrontiert wurde, gestand er, als "verdeckter Ermittler" vom LKA nach Heidelberg geschickt worden zu sein.
Die von der Ausspähung Betroffenen gründeten den 'Arbeitskreis Spitzelklage' und gingen vor Gericht. Die Vorsitzende Richterin des Karlsruher Verwaltungsgericht Anna Mayer konnte die von staatlicher Seite imaginierte "konkrete Gefahr" bei keiner der bespitzelten Personen erkennen. Auch die vom Gesetz als Voraussetzung für eine Bespitzelung genannte konkrete Gefahr einer Straftat mit erheblicher Bedeutung konnte von staatlicher Seite nicht belegt werden.
Das unkooperative Verhalten des mittlerweile vom "roten" baden-württembergischen Innenminister Reinhold Gall geführten LKA ließ dem Gericht keine andere Möglichkeit offen, als die aufgeflogene "verdeckte Ermittlung" für unrechtmäßig zu erklären. Die Vorsitzende Richterin Anna Mayer bekundete zwar Verständnis für das "Geheimhaltungs-Interesse" der "grün-roten" Landesregierung, erklärte aber mehrfach, nur aufgrund der vorliegenden Akten entscheiden zu können. Diese Akten waren aber auch nach einer leichten Veränderung der Sperrerklärung weiter überwiegend geschwärzt.
Auch die zur Aussage vor Gericht zugelassenen Polizei-Zeugen gaben sich äußert wortkarg. Wie in früheren Zeiten fiel in den Prozeß-Tagen häufig als vermeintliche Begründung das nebulöse Wort von der "Polizeitaktik", die nicht offenbar werden könne. Neben vielem anderen wie etwa die Stagnation der erneuerbaren Energien zeigt dies ein weiteres mal, daß sich seit der vermeintlichen Abwahl der "schwarz-gelben" Landesregierung im März 2011 nicht zum Besseren im "Ländle" geändert hat.
Der Anwalt der insgesamt sieben KlägerInnen, Martin Heiming, verwies mehrfach ausdrücklich auf das verfassungsrechtliche Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten. Er machte darauf aufmerksam, daß es hinreichend belegt ist, daß die Antifaschistische Initiative Heidelberg, die als Ausspitzelungsziel von Bromma genannt wurde, fortgesetzt vom Verfassungsschutz beobachtet wird, obwohl die AIHD nach dem BerufsverbotsVerfahren gegen Michael Csaszkóczy, das vor Gericht als unrechtmäßig verurteilt worden war, eigentlich rehabilitiert sein sollte.
Es wäre falsch, aus "kollegialer Rücksichtnahme" die Information zu unterschlagen, daß Bromma unter dem Pseudonym "californication" (so auch der Name seiner in jener Zeit genutzten eMail-Adressen) Artikel auf Indymedia verfaßte. Dies wirft ein Schlaglicht auf die seit vielen Jahren diskutierte Verläßlichkeit der "Nachrichten" auf Indymedia. Nach wie vor findet sich dort auch die unbegründete Denunziation der Linkszeitungs-JournalistInnen Adriana Ascoli und Klaus Schramm, Teil einer "Querfront" zu sein (http://de.indymedia.org/2003/08/58827.shtml), aus dem Jahr 2003.
Ob nun mit dem Karlsruher Urteil das Spitzelunwesen eingedämmt wird, bleibt fraglich. Auf die Aussage der Landesregierung, es habe im Raum Heidelberg nur einen "verdeckten Ermittler" gegeben, ist ebenso viel Verlaß wie auf die Ankündigung eines Atom-Ausstiegs oder der Förderung der Energie-Wende.
Von einer linken Recherchegruppe in Hamburg wurde erst vor wenigen Tagen die verdeckte Polizeibeamtin Maria Böhmichen enttarnt, die unter dem Namen Maria Block zwischen 2010 und 2012 in der linken Szene Hamburgs aktiv war und auch internationale Bündnis-Treffen bespitzelte.
Und vor knapp einem Jahr war in Hamburg die verdeckte Ermittlerin Iris Schneider enttarnt worden. Sie hat unter anderem lange beim Freien Sendekombinat, einem nicht-kommerziellen linken Radio, aktiv mitgearbeitet. Die Betroffenen sind wegen dieser Bespitzelung ebenfalls vor Gericht gegangen.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
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