Hamburg (LiZ). Das Pestizid-Aktions-Netzwerk ermittelte erhebliche Mengen an hormonell wirksamen Chemikalien in deutschen Lebensmitteln. Die Bevölkerung ist damit einem erheblichen Gesundheits-Risiko ausgesetzt. Die Umwelt-Organisation plädiert daher für einen besseren Schutz der Bevölkerung vor Hormongiften.
Die offiziellen Daten der deutschen Lebensmittel-Überwachung von 2011 bis 2014 bestätigen die Vorwürfe des Pestizid-Aktions-Netzwerkes (PAN). VerbraucherInnen sind infolge des hohen Pestizid-Einsatzes in der industriellen Landwirtschaft in Deutschland seit Jahren hormonschädlichen Pestizid-Rückständen in nicht vernachlässigbaren Mengen ausgesetzt. Rund 18 Prozent der zwischen 2011 und 2014 untersuchten Lebensmittelproben weisen Rückstände von 29 hormonschädlichen Pestiziden auf, in 6 Prozent der Proben konnten Mehrfachrückstände der sogenannte endokrine Disruptoren (EDCs) festgestellt werden. Rückstände von weiteren 96 Wirkstoffen, die zumindest unter Verdacht stehen, schädlich auf das Hormonsystem von Mensch und Tier einzuwirken, wurden in 23,8 Prozent der untersuchten Proben nachgewiesen.
In vielen Lebensmittel/Stoff-Kombinationen übersteigen die Rückstandswerte den Wert von 0,01 mg/kg. Dieser Wert markiert die "vernachlässigbare Exposition" von EDCs über den Verzehr von Lebensmitteln. Dies bedeutet, daß ein Mensch, der einer Dosis unter diesem Grenzwert ausgesetzt ist, nicht mit einer schädlichen Wirkung rechnen müsse. Nach der Pestizid-Verordnung von 2009 ist die Verwendung von EDCs generell verboten, es sei denn, ihre Exposition ist für VerbraucherInnen, AnwenderInnen und Umwelt "vernachlässigbar". Allerdings greift diese Regelung noch nicht, denn es fehlt noch immer ein regulatives Verfahren zur Identifizierung von EDCs - also einer bestimmten Sorte hormonell wirksamer Chemikalien.
PAN plädiert daher für einen besseren Schutz der Bevölkerung vor Hormongiften und fordert ein klares Veto der Bundesregierung gegen die aktuellen Bestrebungen der EU-Kommission, die rechtlichen Schutz-Standards wieder abzuschwächen. Am 21. Dezember 2016 soll in Brüssel voraussichtlich über einen entsprechenden Kommissions-Vorschlag abgestimmt werden. Dieser stößt auf massive Kritik von WissenschaftlerInnen, von Umwelt- und Verbraucherverbänden wie PAN, und von mehreren Mitgliedsstaaten wie Frankreich und Schweden. Kritisiert werden die sehr hohen Hürden zur Einstufung einer Substanz als EDC, aber auch der Versuch der EU-Kommission, die Schutzstandards der Pestizid-Verordnung drastisch zu senken. So soll unter anderem der Vorsorgewert einer vernachlässigbaren Exposition gestrichen werden und durch eine klassische Risikoabschätzung ersetzt werden.
"Die reale Gefahr von Mehrfachrückständen wird in der üblichen Risikoabschätzung gar nicht berücksichtigt," kritisiert PAN-Germany Expertin Susanne Smolka. "Unsere Auswertung zeigt, daß EDCs in vielen verschiedenen Lebensmitteln als Rückstände und als Mehrfachrückstände nachzuweisen sind. Die Verbraucher müssen endlich wirksam geschützt werden. Deshalb erwarten wir von der Bundesregierung, daß sie keine Vorschläge unterstützt, die die gesetzlich festgeschriebenen Schutzstandards und das Vorsorgeprinzip derart bedenklich absenken", so Smolka.
EDCs können bereits in sehr geringen Dosierungen in das empfindliche Hormonsystem von Mensch und Tier eingreifen. Besonders Kinder und Schwangere sind gefährdet. Verschiedenste gesundheitliche Schäden wie Fortpflanzungs-Störungen, Unfruchtbarkeit, Fehlbildungen der Geschlechtsorgane, Brust-, Prostata- und Hodenkrebs, Verhaltens- und Entwicklungs-Auffälligkeiten bei Kindern oder chronische Erkrankungen wie Diabetes werden mit der Exposition gegenüber hormonell wirksamen Substanzen in Verbindung gebracht.
Leider kann auch bei Lebensmitteln aus kontrolliert biologischem Anbau eine Kontamination mit Pestiziden und deren Rückständen nicht völlig ausgeschlossen werden, solange deren Einsatz in der industriellen Landwirtschaft erlaubt ist. Weder lassen sich die Bienen vorschreiben, wo sie zum Sammeln hinfliegen, noch kann der Eintrag von Pestiziden durch Wind völlig verhindert werden. Da jedoch allein die Bio-Landwirtschaft das Überleben von Umwelt, Natur und Mensch sichern kann, muß die Agrar-Wende endlich beschleunigt realisiert werden. VerbraucherInnen können hierzu beitragen, indem sie im Bioladen statt im Supermarkt einkaufen.
Anmerkungen
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