Brüssel (LiZ). Die EU-Kommission hat heute die Anwendung von drei Agro-Giften im Freien verboten. Die Neonicotinoide Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam, die in der industriellen Landwirtschaft breite Anwendung finden, dürfen künftig nur noch in Gewächshäusern angewendet werden. Der Einsatz des Neonicotinoids Thiacloprid bleibt erlaubt.
Daß auf Pestizide verzichtet werden kann, beweist die Biolandwirtschaft seit vielen Jahren. Der Einsatz von Insektiziden (Insekten-Vernichtungsmitteln), Herbiziden (Pflanzen-Vernichtungsmitteln) und Fungiziden (Pilz-Vernichtungsmitteln) dient allein der Profitmaximierung. Nur ein Teil dieser Extra-Profite wird über die Preisdifferenz zwischen konventionellen zu Bio-Lebensmitteln an die KonsumentInnen weitergereicht. Doch so können die Chemie-Konzerne erreichen, daß sie mit stillschweigender Duldung der Mehrheit der Deutschen eine Wirtschaftsweise am Laufen halten können, die auf die Dauer Mensch und Natur vernichtet. In Deutschland sank die Zahl der Bienenstöcke zwischen 1961 und 2016 von knapp zwei auf 0,7 Millionen - also auf fast ein Drittel. Hinzu kommt das allgemeine Insektensterben, von dem auch Wildbienen betroffen sind.
Nach dem seit Jahren anerkannten Stand der Wissenschaft sind Neonicotinoide hauptverantwortlich für den drastischen Rückgang der Insekten - 60 Prozent der Bienenbestände sind nach Ansicht von ExpertInnen akut gefährdet. Und die Gefahren sind seit langem bekannt: In Frankreich war es bereits in den 1990er-Jahren zu schweren Verlusten bei Bienenvölkern gekommen und die dort noch zahlreichen und lautstarken Berufs-ImkerInnen setzten ein Verbot des Pestizids Imidacloprid durch. Imidacloprid darf in Frankreich seit 1999 nicht mehr auf Sonnenblumen und seit 2003 nicht mehr auf Mais versprüht werden. Danach entspannte sich die Lage. Clothianidin erhielt in Frankreich gar keine Zulassung. Und in Italien wurden Clothianidin und Imidacloprid auf Druck der ImkerInnen im Jahr 2008 verboten.
Schließlich bestätigte im Jahr 2013 sogar die mit der Chemie-Industrie verfilzte EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) die Schädlichkeit der Neonicotinoide für Honigbienen. Und im Februar 2018 folgte eine Neubewertung durch eine EFSA-Studie, die auch die Gefahr für Wildbienenbestände nicht mehr länger leugnete. Doch der Bayer-Vorstandsvorsitzende Werner Baumann behauptete noch auf der jüngsten Hauptversammlung der AktionärInnen, Neonikotinoide würden keine Gefahr für die Bienengesundheit darstellen, wenn sie ordnungsgemäß angewendet werden.
Die Umweltorganisation Greenpeace, die sich seit Jahren für das Verbot eingesetzt hat, zeigte sich erfreut: "Es ist seit vielen Jahren wissenschaftlich ganz klar, daß Neonicotinoide für den Tod von Bienen, Wildbienen und vielen weiteren wichtigen Insekten mitverantwortlich sind," erklärte Sebastian Theissing-Matei. Auch die Coordination gegen Bayer-Gefahren CBG, begrüßt das EU-Verbot. CBG weist ausdrücklich nochmals darauf hin, daß es sich bei den beiden Pestizid-Wirkstoffen Imidacloprid und Clothianidin um Produkte des Bayer-Konzerns handelt. Thiamethoxam hingegen wird von Syngenta vermarktet. "Dieser Schritt war überfällig. Jetzt gilt es aber auch, konsequent zu sein und die übrigen Stoffe dieser Substanz-Klasse aus dem Verkehr zu ziehen," fordert CBG-Geschäftsführer Jens Wegener.
Darüber hinaus sollte die EU nach Ansicht Wegeners diejenigen Pestizide genauer unter die Lupe nehmen, welche die Industrie als Ersatz für die jetzt verbotenen Gifte vorgesehen hat. Der Leverkusener Multi zum Beispiel bemüht sich in der Bundesrepublik gerade um eine Zulassung von Sivanto, dessen Inhaltsstoff Flupyradifuron einige WissenschaftlerInnen ebenfalls als schädlich für Bienen einstufen. So hält etwa Michele Colopy von der Organisation 'Pollinator Stewardship Council' fest: "Die Forschungs-Ergebnisse weisen vielleicht auf keine akute toxische Wirkung bei der ersten Anwendung hin - aber Zweit- und Drittanwendung zeigen eindeutige Effekte auf die Bienensterblichkeit, das Verhalten, die Brut-Entwicklung sowie Pollen und Nektar." Zu ähnlichen Ergebnissen kam jüngst die Universität Würzburg. "Wir haben schon zu oft erlebt, daß der Bayer-Konzern nach solchen Entscheidungen einfach alten Wein in neue Schläuche abfüllte," warnt Jens Wegener von der CBG.
Auch etliche WissenschaftlerInnen verschließen nach wie vor die Augen vor der Alternative Biolandwirtschaft und arbeiten im Dienste der industriellen Landwirtschaft bereits an neuen Giftstoffen, um damit die verbotenen Neonicotinoide zu ersetzen. So schiebt beispielsweise Josef Settele, Leiter der Arbeitsgruppe Tierökologie am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Halle, die Emotionen von LandwirtInnen vor, um damit seine spezielle Forschung an "Alternativen" zu rechtfertigen: "Viele Landwirte werden nun nach dem Verbot aus einer gewissen Verzweiflung heraus auf ältere Mittel zurückgreifen. Eventuell werden sie sogar eigene Insektizidmischungen einsetzen. Es muß also dringend an Alternativen gearbeitet werden." Es gibt allerdings auch andere WissenschaftlerInnen wie etwa Johann G. Zaller, Ökologe an der Wiener Universität für Bodenkultur, der jüngst ein Buch über die Gefahren durch Pestizide veröffentlicht hat (Siehe hierzu unseren Artikel v. 17.03.18).
Auch wenn nun mit dem Verbot dreier Agro-Gifte ein Teil-Erfolg für den Bienenschutz zu verzeichnen ist, bliebt zugleich ein besonders gefährliches und krebserregendes Pestizid, Glyphosat, in der EU - nicht zuletzt aufgrund des Einflusses der deutschen Bundesregierung - erlaubt. Und vor zwei Tagen wurde bekannt, daß die beiden neuen Ministerinnen Julia Klöckner (Agro) und Svenja Schulze (Atom) nicht gewillt sind, gegen die Interessen des Chemie-Konzerns Bayer ein Glyphosat-Verbot für Deutschland auszusprechen.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Unser täglich Gift.
Pestizide - Die unterschätzte Gefahr (17.03.18)
DBV-Präsident Rukwied ist
"Dinosaurier des Jahres 2017" (28.12.17)
Artenvielfalt und Profit in der Landwirtschaft
Eine agrarökologische Untersuchung (22.08.17)
Nitrat: "Schwarz-Rot" versucht der
Klage der EU zu entgehen (17.02.17)
Hormongifte in Lebensmitteln
Gefährliche Rückstände aus Pestizid-Einsatz (16.12.16)
Nitrat: EU verklagt BRD
Zu viel Gülle im Grundwasser (7.11.16)
Gen-Pollen und Glyphosat häufig im Honig
"Ungenügend" für Honig von Aldi (1.11.16)
Bio-Landwirtschaft wächst
sogar in Deutschland ein wenig (14.10.16)
Boom bei Bio-Lebensmitteln in den USA
mit Schattenseite (17.06.16)
Falschspiel bei Glyphosat-Zulassung
Berlin schiebt Verantwortung auf EU (29.06.16)
Glyphosat in konventionellem Wein
und Traubensaft (12.05.16)
Nitrat im Grundwasser
EU verklagt Deutschland (29.04.16)
Kein Bio-SojaDrink mehr in Pfandflaschen
Nur noch im umweltschädlichen Tetra-Pack (27.04.16)
Feminismus und Agrar-Wende
passen gut zusammen (8.03.16)
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Bundesregierung verharmlost Pestizid (27.02.16)
Pestizid in deutschen Bieren
Rein trotz Glyphosat? (25.02.16)
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Frei von hormonell wirksamen Stoffen (21.02.16)
20.000 in Berlin
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macht Fortschritte (30.10.15)
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(5.03.15)
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Industrielle Landwirtschaft untergräbt Lebensgrundlagen
(7.04.14)
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Zustand schlechter - nicht besser (10.03.14)
Agrar-Wende - Erneuern sich
die Pseudo-Grünen von unten? (27.01.14)
Das Aussterben der Bienen kann
plötzlich und ohne Vorwarnung kommen (6.01.14)
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(25.10.13)
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verschlechtert sich dramatisch (19.10.13)
Flächenfraß
Täglich 74 Hektar mehr Siedlungs- und Verkehrsfläche
(13.10.13)
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BUND fordert Neuausrichtung (28.08.13)
Jugend mag Bio
23 Prozent kaufen häufig Bio-Lebensmittel (20.08.13)
VGH-Urteil: Natürliches Mineralwasser
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Nur Bio-Lebensmittel unbelastet (17.06.13)
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hinkt der Nachfrage hinterher (6.05.13)
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Industrielle Landwirtschaft ohne Zukunft (27.02.13)
Dem deutschen Wald geht es schlechter
als in den 1980er-Jahren (4.02.13)
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Demo in Berlin für Agrar-Wende
25.000 erklären: "Wir haben es satt" (19.01.13)
Umweltverbände: Aigners Pestizid-Aktionsplan
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EU-Kommission versucht Gen-Honig
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Bio-Lebensmittel
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Bio-Landwirtschaft
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Osterhase gefährdet? (4.04.12)
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Erfolg der Bio-Landwirtschaft
mit Artenvielfalt statt Pestiziden (5.07.10)
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Umweltverbrechen Mais-Anbau
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Paprika mit Pestiziden
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Agrar-Wende
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Bio-Landbau wächst (24.11.03)
Obst- und Gemüse
aus dem Bio-Laden (21.09.03)
Bienensterben
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Apollofalter
the scream of the butterfly (19.05.03)