6.01.2016

Debian-Gründer Ian Murdock tot
Mysteriöse Begleitumstände

Ian Murdock - Foto: tmolini - CC-By-SA 3.0
San Francisco (LiZ). Der in Konstanz geborene US-amerikanische Software-Entwickler und Debian-Gründer Ian Murdock ist am 28. Dezember in San Fransisco unter mysteriösen und bislang ungeklärten Begleitumständen ums Leben gekommen. Fraglich ist die Authentizität einer angeblich von Murdock selbst über Twitter verbreiteten Suizid-Ankündigung.

Mit der Distribution Debian hatte Ian Murdock weltweit anerkannt Großartiges für die basisdemokratische und Dank offenem Quell-Code ("open source") spionagefreie Software-Entwicklung geleistet. Die auf dem freien Betriebssystem Linux basierende Distribution Debian ermöglicht - anders als etwa als das auf MSDOS basierende Windows - keine Hintertürchen für Geheimdienste. In großen Teilen der internationalen IT-Gemeinde gilt es daher als offenes Geheimnis, daß Debian vielen Regierungen und Geheimdiensten ein Dorn im Auge ist. Debian ist heute das meistverbreitete Linux-System, Basis der Spacestation-Software ebenso wie von Ubuntu.

Der 1973 in Konstanz geborene Ian Murdock hatte im August 1993 mit der Entwicklung von Debian begonnen. Die Bezeichnung 'Debian' bildete er aus dem Namen seiner damaligen Freundin und späteren Ehefrau Debra und seinem eigenen. Bis März 1996 war Murdock Leiter des Debian-Projekts. Kurze Zeit arbeitete er als Programmierer an der University of Arizona und besuchte dort Vorlesungen für Informatik. Zusammen mit John H. Hartman gründete er 2000 die Firma Progeny Linux Systems. Er engagierte sich in diversen Linux-Projekten und in der Open-Source-Bewegung. Seit 2006 war er Technik-Chef der Linux Foundation und leitete die Linux Standard Base (LSB). Er erarbeitete dort die LSB 3.1 und die Roadmap zu der nächsten Revision 4.0.

Ab März 2007 arbeitete er für Sun Microsystems. Dort sollte er sich in der für ihn neu geschaffenen Position des Chief Operating Platforms Officer um die strategische Ausrichtung von Suns Solaris- und Linux-Aktivitäten kümmern. Im Mai 2007 wurde von Sun das Project Indiana gestartet, dessen Ziel es ist, Solaris und Linux kompatibel zu machen. Murdock übernahm die Leitung dieses Projekts. Nach verschiedenen anderen Arbeiten wechselte Murdock im November 2015 in eine gut dotierte Position bei Docker und lebte in San Francisco. Im Jahr 2015 verdiente Murdock nach unbestätigten Meldungen mehr als eine Million US-Dollar.

Wenige Stunden vor seinem Tod soll Ian Murdock über den Kommunikations-Anbieter Twitter seinen Suizid angekündigt haben. Der Twitter-Account wurde kurze Zeit darauf gelöscht, konnte aber offenbar zuvor archiviert werden. Aus diesen archivierten Twitter-Mitteilungen, die angeblich von Murdock stammen, geht hervor, daß Murdock zuvor von der Polizei verhaftet und mißhandelt worden sei. Die Einträge ("Tweets") sind allerdings widersprüchlich, da zum einen die Aussage wiedergegeben wird, er - Murdock - wolle für den Rest seines Lebens gegen die Polizei kämpfen. Diese sei "ungebildet, bösartig und sadistisch".

angebliche Twitter-Mitteilungen von Ian Murdock - screenshot

Zugleich enthält dieselbe Reihe von Twitter-Einträgen Aussagen, die als Suizid-Ankündigung interpretiert werden können.

"Maybe my suicide at this, you now, a successful business man, not a NIGGER, will finally bring some attention to this very serious issue."

"Vielleicht wird mein Selbstmord deswegen, als ein erfolgreicher Geschäftsmann, kein NIGGER, letztlich etwas Beachtung für diese sehr ernste Angelegenheit bringen."

"...i’m committing suicide tonight.. do not intervene as i have many stories to tell and do not want them to die with me #debian #runnerkristy67"

„...Ich werde diese Nacht Selbstmord begehen.. Greif nicht ein, da ich eine Menge Geschichten zu erzählen habe und ich nicht möchte, daß sie mit mir sterben #debian #runnerkristy67“

Mittlerweile kursiert in Hacker-Kreisen der Verdacht, daß der Twitter-Account zu diesem Zeitpunkt nicht mehr unter der Kontrolle von Murdock stand und die archivierten Einträge ein Fake sind.

In den nicht-authentifizierten Twitter-Einträgen behauptet - angeblich - Murdock, er sei von der Polizei massiv verletzt worden, so daß er sich in einer Klinik habe behandeln lassen müssen. Weiter ist darin von einem als "Vergewaltigung" bezeichneten Übergriff durch eine Polizeibeamtin die Rede, die ihm seine Unterwäsche vom Leib gerissen habe.

"This was right after the female officer ripped off my underwear.. I guess that’s not considered rape if you’re not a woman being raped."

Weiter heißt es darin, er - Murdock - sei zweimal brutal verprügelt worden. Für seine Freilassung habe eine Kaution in Höhe von 25.000 US-Dollar hinterlegt werden müssen und ihm werde - in Umkehrung der realen Vorgänge - die Körperverletzung von Polizeibeamten zur Last gelegt.

"they beat the shit out of me twice, then charged me $25,000 to get out of jail for battery against THEM"

Noch am 31. Dezember hieß es, die Polizei widerspreche der Darstellung, Mudock sei im Dezember überhaupt in Haft gewesen. Mittlerweile berichten US-Medien, die Polizei von San Francisco bestätige, daß sie Murdock am frühen Sonntag morgen (27. Dezember) inhaftiert habe. Murdock sei in der Nähe des 2400-sten Blocks der Green Street schreiend und brüllend aufgegriffen worden. Nach Aussagen der Polizei seien Beamte wegen eines per Telefon am Samstag abend (26. Dezember) gemeldeten Einbruchs in dieser Gegend vor Ort gewesen und hätten Murdock festgenommen, weil sein Aussehen auf die Beschreibung des Einbrechers paßte. Nach Angaben der Polizei habe Murdock bei der Verhaftung körperlichen Widerstand geleitet, sei möglicher Weise betrunken gewesen und hätte versucht, mit den Beamten zu argumentieren. Im Streifenwagen habe Murdock mit dem Kopf gegen den Metall-Käfig geschlagen und sich so selbst verletzt. Auch die weitere Darstellung der Polizei - wie sie von US-Medien wiedergegeben wird - ist äußerst bizarr.

Laut Aussage der Polizei-Sprecherin Grace Gatpandan habe Murdock bei der Aufnahme seiner Personalien nicht den Eindruck gemacht, suizid-gefährdet zu sein. Er sei im Gefängnis medizinisch untersucht worden. Am Montag sei die Polizei wegen eines Suizid-Hinweises erneut zum 2400-sten Block der Green Street gerufen worden. Das Büro des städtischen Gerichtsmediziners habe bestätigt, daß Ian Murdock tot aufgefunden wurde.

Das Unternehmen Docker bedauert in einer schriftlichen Stellungnahme den "tragischen Verlust". Darin heißt es: "Wir betrachten uns glücklich, Ian gekannt und mit ihm zusammengearbeitet zu haben. Er beeindruckte jeden, der mit ihm zusammenarbeitete, mit der Tiefe seines Denkens, seiner Leidenschaft und seiner Erfahrung. Er war wirklich brillant und eine Inspiration für viele von uns - sein Tod ist ein Verlust für alle, die ihn kannten und die mit ihm in Berührung gekommen waren".

Nach Aussagen von Freunden sei Ian Murdock nie zuvor mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Auch seine neue Aufgabe bei Docker, die er erst im November übernommen hatte, sei er mit großem Enthusiasmus angegangen. Die mysteriösen Begleitumstände seines Todes lassen viele Fragen offen.

Murdocks Familie bittet darum, ihre Privatsphäre in dieser schweren Zeit zu respektieren.

 

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