Fukushima mahnt
IPPNW-Report über Folgen des Super-GAU
Berlin (LiZ). Zum zweiten Fukushima-Jahrestag legt die atomkritische ÄrztInnen-Organisation IPPNW eine quantitative Abschätzung der gesundheitlichen Folgen vor. Der Report dokumentiert besorgniserregende Befunde, die schon jetzt - nur zwei Jahre nach dem Beginn des Super-GAU - sichtbar werden.
Der Wissenschaftler Alfred Körblein wies für ganz Japan einen signifikanten Rückgang der Geburten nach - genau 9 Monate nach dem 11. März 2011. Von 4.362 fehlenden Geburten im Dezember 2011 entfielen nur 209 auf die Präfektur Fukushima. Eine erhöhte Säuglingssterblichkeit neun Monate nach Beginn der Katastrophe ist ein weiteres Anzeichen dafür, wie sehr dieses Land insgesamt und eben keineswegs nur die Präfektur Fukushima von dieser Nuklear-Katastrophe betroffen ist.
"Besonders erschreckend" sind laut IPPNW die jüngsten Zahlen über Schilddrüsen-Zysten und -Knoten bei mehr als 55.000 Kindern allein in der Präfektur Fukushima. Diese ist nur eine von 47 japanischen Präfekturen des dicht besiedelten Japan, über dem rund 20 Prozent der in die Atmosphäre freigesetzten Radionuklide niedergingen. Rund 80 Prozent der atmosphärischen Freisetzungen kontaminierten das Meer. Anders als bei Erwachsenen sind derartige Schilddrüsenveränderungen bei Kindern "als Krebsvorstufen" anzusehen, erklärt der ehemalige Chefarzt der Herforder Kinderklinik, Winfrid Eisenberg, einer der Autoren der IPPNW-Studie. Die ÄrztInnen-Organisation IPPNW empfiehlt daher dringend, in ganz Japan systematische Schilddrüsenuntersuchungen bei Kindern durchzuführen.
Prognosen über die zu erwartenden Krebserkrankungen infolge der deutlich erhöhten "Hintergrundstrahlung" in Japan wie auch aufgrund des Verzehrs von radioaktiv kontaminierten Nahrungsmitteln sind mit vielen Unsicherheiten behaftet. Die ÄrztInnen-Organisation IPPNW hielt es dennoch für erforderlich, der Weltöffentlichkeit zumindest auf der Grundlage der bislang verfügbaren Daten näherungsweise die Dimension dieser Nuklearkatastrophe vor Augen zu führen.
Auf der Basis von Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Fachzeitschriften über die Bodenkontamination mit radioaktivem Cäsium sowie aufgrund von Messungen der Ortsdosisleistungen im Herbst 2012 kommen die IPPNW-Autoren Henrik Paulitz, Winfrid Eisenberg und Reinhold Thiel in drei alternativen Abschätzungen auf rund 20.000 bis 40.000 Krebserkrankungen aufgrund der "äußeren Strahlungsbelastung" in Japan. Diese Zahlen ergeben sich, wenn man mit dem Risikofaktor von 0,1/Sv rechnet, den auch die Weltgesundheitsorganisation WHO inzwischen annimmt. Nach neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen muß allerdings mit einem doppelt so hohen Risiko und somit von bis zu 80.000 Krebserkrankungen aufgrund der externen Strahlenbelastung gerechnet werden.
Für die Abschätzung der zu erwartenden Krebserkrankungen aufgrund von kontaminierten Nahrungsmitteln wurden mehr als 133.000 vom japanischen Gesundheitsministerium veröffentlichte Messergebnisse herangezogen, von denen allerdings nur rund 17.000 Daten tatsächlich als konkrete Messwerte veröffentlicht wurden. Unter konservativen Annahmen ergeben sich laut IPPNW rechnerisch rund 18.000 bis 37.000 Krebserkrankungen nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft.
Für die Arbeiter, die laut Betreiber-Konzern TEPCO im Jahr 2011 in der havarierten Atomanlage tätig waren, liegen keine auch nur halbwegs auswertbaren Daten vor. Aufgrund der Erfahrungen nach Tschernobyl rechnet die IPPNW mit mehr als 17.000 schweren Erkrankungsfällen.
Die Ergebnisse des IPPNW-Reports stehen in deutlichem Kontrast zu den von der Weltgesundheits-Organisation WHO am 28. Februar 2013 vorgelegten Zahlen im Fukushima-Bericht "Health risk assessment". IPPNW-Mitglied Alex Rosen weist in einer Analyse darauf hin, daß die WHO von fehlerhaften Annahmen ausgeht und lediglich ausgewählte Gebiete in der Präfektur Fukushima in den Blick nahm.
IPPNW-Report "Gesundheitliche Folgen von Fukushima" (deutsch)
www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Atomenergie/Fukushima/Gesundheitliche_Folgen_Fukushima_final.pdf
Englische Zusammenfassung des Reports
www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Atomenergie/Fukushima/Health_consequences_Fukushima_en.pdf
Japanische Zusammenfassung des Reports
www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Atomenergie/Fukushima/Health_consequences_Fukushima_jp.pdf
IPPNW-Analyse des WHO-Berichts
Deutsch: "Kritische Analyse der WHO-Bewertung von Gesundheitsrisiken der
Fukushima-Atomkatastrophe"
www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Atomenergie/Fukushima/WHO_Fukushima_Bericht2013_Kritik_dt.pdf
Englisch: "Critical Analysis of the WHO’s health risk assessment of the
Fukushima nuclear catastrophe"
www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Atomenergie/Fukushima/WHO_Fukushima_Report2013_Criticism_en.pdf
Japanisch: "Critical Analysis of the WHO’s health risk assessment of the
Fukushima nuclear catastrophe"
www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Atomenergie/Fukushima/WHO_Fukushima_Report2013_Criticism_jp.pdf
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
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