Anklage nach Grässlin-Anzeige von 2010
gegen sechs Angestellte von Heckler&Koch
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Stuttgart (LiZ). Nachdem die Stuttgarter Staatsanwaltschaft die Anzeige des Friedens-Aktivisten und Bestseller-Autors Jürgen Grässlin mehr als fünf Jahre verschleppt hat, kommt es nun doch zur Anklage. Über die Verantwortung von sechs Angestellten von Heckler&Koch - darunter zwei ehemalige H&K-Geschäftsführer - für den illegalen Export von Waffen nach Mexiko wird nun ein Gericht entscheiden.
Der Export von mindestens 10.000 G36-Sturmgewehren und weiteren Kleinwaffen nach Mexiko sowie die folgende widerrechtliche Verbringung von rund 5.000 Sturmgewehren in mexikanische Unruhe-Provinzen ist einer der folgenschwersten illegalen Waffen-Deals in der Geschichte deutscher Rüstungs-Exporte. Am 19. April 2010 hatte der Freiburger Friedens-Aktivist und Bestseller-Autor Jürgen Grässlin Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart gestellt und zahlreiches Beweis-Material vorgelegt. "Die Anklageerhebung seitens der Staatsanwaltschaft Stuttgart kommt um Jahre zu spät," konstatiert Grässlin heute. Er vermutet jedoch einen Zusammenhang mit dem von ihm und den beiden Co-AutorInnen im September veröffentlichten Enthüllungs-Buch 'Netzwerk des Todes'. In diesem dokumentieren sie akribisch, daß der illegale Export von deutschen Waffen nur funktionieren konnte, weil deutsche Rüstungsexport-Kontrollbehörden die Kriegswaffen-Transfers geduldet und bei deren Abwicklung weggeschaut haben – und: Weil sie in bestimmten Fällen sogar am Waffen-Deal mitgewirkt haben.
Von der Anzeige Grässlins waren ursprünglich 19 Personen betroffen. In 13 Fällen hat die Staatsanwaltschaft nach eigenen Angaben die Verfahren eingestellt. Möglicher Weise sah sich die Stuttgarter Staatsanwaltschaft jetzt auch deshalb genötigt, aktiv zu werden, weil im Mai dieses Jahres Ermittlungen des Kölner Zollkriminalamts bekannt wurden (Siehe unseren Artikel v. 8.05.15). Ein entsprechender Bericht aus Köln war in Stuttgart bereits im September 2014 eingegangen, dort aber offenbar lange Zeit ignoriert worden. Grässlin hat wegen der Untätigkeit der Stuttgarter Staatsanwaltschaft und gegen Beteiligte im Bundesausfuhramt und im Bundeswirtschaftsministerium Sigmar Gabriels Beschwerde eingelegt.
Grässlin sagte heute: "Die Verantwortungskette für den widerrechtlichen Waffentransfer abertausender Sturmgewehre betrifft nicht einzig sechs Beschuldigte. Massiv zu kritisieren ist deshalb die Einstellungsverfügung seitens der Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen weitere in den Export-Skandal involvierte Mitarbeiter bei Heckler & Koch." Den sechs nun Angeklagten wirft die Staatsanwaltschaft vor, in den Jahren 2006 bis 2009 in unterschiedlichen Funktionen an 16 Lieferungen von Gewehren und Zubehörteilen nach Mexiko beteiligt gewesen zu sein. Klar ist nun wohl, daß es sich tatsächlich um Verstöße gegen das Kriegswaffenkontroll- und Außenwirtschaftsgesetz handelte. Zu Details wollte sich die Staatsanwaltschaft in Stuttgart jedoch nicht äußern. Grässlin hofft jetzt, daß sich die Anklageerhebung und das darauf folgende Gerichtsverfahren als "ein bedeutender Schritt in Richtung Gerechtigkeit für die zahlreichen Angehörigen der Opfer des Einsatzes der in Mexiko eingesetzten G36-Sturmgewehre" erweisen wird.
Laut den Recherchen Grässlins, die er vor über fünf Jahren auch der Stuttgarter Staatsanwaltschaft vorlegte, wußten die "Verantwortlichen" in der baden-württembergischen Waffenschmiede Heckler&Koch mit Sitz in Oberndorf am Neckar zum Zeitpunkt der Lieferung sehr wohl, daß die Gewehre in Unruhe-Provinzen in Mexiko geliefert werden sollten und daß dies illegal war. Daher seien Unterlagen von Heckler&Koch manipuliert worden. Bereits 2012 hatte Grässlin in einer zweiten Anzeige MitarbeiterInnen deutscher Behörden wegen Beihilfe angezeigt. Zwei Mitarbeitern hatte Heckler&Koch im Jahr 2013 gekündigt und ihnen vorgeworfen, eigenmächtig gehandelt zu haben - offenbar der Versuch, mit Hilfe von "Bauernopfern" ungeschoren aus der Affaire hervor zu gehen (Siehe unseren Artikel v. 6.05.13).
Allerdings konnte Grässlin bis heute keine Reaktion auf seine Anzeige von 2012 vermelden. Die Beweise, daß MitarbeiterInnen von Bundesausfuhramt und Wirtschaftsministerium die illegalen Waffen-Deals gedeckt haben, sind erdrückend. Auch in diesem Fall der staatsanwaltlichen Untätigkeit legte Grässlin Beschwerde ein. Hierüber muß die für Wirtschaftsstraftaten zuständigen 13. Kammer des Landgerichts Stuttgart entscheiden. Ob ein Hauptverfahren eröffnet wird, ist fraglich. Eine alte Volksweisheit lautet: "Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus!" Ein Erfolg jedoch ist Grässlin bereits sicher: In der Bevölkerung wächst das Bewußtsein darüber, in welchem Zustand sich Deutschland befindet.
Anmerkungen
Siehe auch unseren Artikel:
IPPNW fordert Stop der Waffenlieferungen
in Kriegsgebiete (1.11.15)
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